zum Hauptinhalt
Desperado des deutschen Films. Vadim Glowna.

© dapd

Film: Berufswunsch Held

Der Charakterkopf: Er drehte mit Claude Chabrol, Romy Schneider und Klaus Kinski. Für seinen Film „Desperado City“ wurde er in Cannes ausgezeichnet. Zum Tod des Schauspielers Vadim Glowna

Vadim Glowna hatte man gerade einen Zeh amputiert, weil er, statt mit der Entzündung zum Arzt zu gehen, seinen Film „Das Haus der schlafenden Schönen“ zu Ende drehen wollte. Glowna hatte den Preis bezahlt, wie Männer es tun, die wissen, dass im Leben nichts umsonst ist. Mit einer gewissen Kaltblütigkeit.

2006 saß Glowna, seine letzte Regiearbeit war gerade beendet, mit neun Zehen in den Hamburger Zeisehallen. Bei einem nachmittäglichen Glas Weißwein an einem aktengrauen Tag in der Stadt seiner Kindheit fand er, dass man dem Sterben ins Auge sehen müsse. Es würde entweder im Bett oder in Stiefeln passieren; seine Sympathie läge bei den Stiefeln.

In seinem Film hatte sich Glowna, auch der Hauptdarsteller, nachts neben narkotisierte junge Frauen gelegt und war zwischen Erotik und Todessehnsucht gependelt. Es war ein ziemlich versponnener Film für einen Mann, der zugleich auch gerne den harten Hund gab. Gerade war auch seine Autobiografie herausgekommen. Und wenn es in seinem Leben einen roten Faden geben sollte, sagt er, dann diesen: „Ich bin immer auf jemanden getroffen, der mich gemocht hat.“

Erst war es ein Schrottsammler, der ihm im zerbombten Hamburg für die Metallstücke, die er aus den Trümmern zog, gutes Geld gab. Das brauchte er, der mit seiner Mutter, die Blumen verkaufte, alleine lebte. Die Jungs, die in St. Pauli auf der Straße rumhingen, mochten ihn. Dann mochte ihn Gustaf Gründgens, er begann am Hamburger Schauspielhaus. Und Peter Zadek mochte ihn, das Publikum auch. Und die Kamera: Sam Peckinpah wollte ihn, Claude Chabrol, Cannes spendierte ihm 1980 für seinen Regieerstling „Desperado City“ sogar die „Caméra d’Or“, er spielte neben Romy Schneider und Klaus Kinski und mehrfach in unvergesslich derangierten Rollen für Oskar Roehler. Vor allem mochte die Kamera, stellte er fest, seine schiefe Nase. Die hatte ihm wieder angenäht werden müssen, nachdem er mit sechs Jahren einen Freund gegen einen Mann mit einer Eisenstange verteidigte. Sein Berufswunsch damals: Held.

Vera Tschechowa, die er heiratete, lebte mit ihm 23 Jahre lang, es liebten ihn tausende Film- und Fernsehzuschauer, die ihn im „Tatort“, in „Der Alte“ und „Der Kommissar“ sahen. Er liebte seinerseits den deutschen Film, hielt Bordelle für mystische Orte und lebte die letzten 25 Jahre in Charlottenburg. „Dinge geschehen nicht einfach so, sie wollen uns etwas sagen.“ Davon war er überzeugt. Man musste das Leben auch interpretieren. Und dann entscheiden. Risiken, auch finanzielle, musste man eingehen. Deshalb war der fleißige Schauspieler mit über 160 Film- und Fernsehrollen auch immer wieder darauf erpicht, selbst einen Film herauszubringen. Und koste es einen Zeh.

Häufig balancierte er freihändig eine Zigarette zwischen den Lippen, als sei sie dort festgeklebt. Diese Lucky-Luke-hafte Geste beherrschten schon vor sechs Jahren nur noch sehr wenige Männer.

In der Nacht zum Dienstag starb Glowna in einem Berliner Krankenhaus nach kurzer, schwerer Krankheit. Er wurde 70 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false