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Ein Paar, kein Paar. Der finstere Pinkie (Sam Riley) und die gute Rosa (Andrea Riseborough).

© dapd

Film "Brighton Rock": Das Teufelchen bin ich

Rocker gegen Mods: „Brighton Rock“ – Rowan Joffe verfilmt Graham Greene gleichnamigen Roman aus dem Jahr 1938.

Pinkie Brown ist aggressiv, aufbrausend, immer in Gefahr, die Kontrolle über seine latente Wut zu verlieren. Er ist kühl, kalkulierend, spielt ein doppeltes Spiel und ist darin doch kein so begnadeter Taktiker, dass er dafür Bewunderung verdiente. Er ist gläubiger Katholik, aber sein eigenes Seelenheil hat er längst aufgegeben. „Die Atheisten haben keine Ahnung“, sagt er einmal. „Natürlich gibt es eine Hölle. Flammen, Verdammung, Qualen.“ Pinkie Brown ist ein Bild von einem Antihelden.

Der Protagonist ist das Kraftzentrum von „Brighton Rock“. Ein Teenager noch, jüngstes Mitglied einer kleinen Gangsterbande, deren Boss von einer rivalisierenden Bande ermordet wird. Als der vielleicht Intelligenteste, mit Sicherheit aber Skrupelloseste schwingt sich Pinkie (Sam Riley aus „Control“) zum neuen Anführer auf, indem er zunächst den Mord an seinem Boss rächt. Nur dumm, dass es eine Zeugin gibt, die bewirken könnte, dass Pinkie und seine Bundesgenossen alsbald am Galgen landen. Um nicht noch einen weiteren Mord zu begehen, entscheidet sich Pinkie, die Zeugin auf seine Seite zu bringen. Kellnerin Rose (Andrea Riseborough) ist ebenfalls katholisch und genauso jung, sonst aber das genaue Gegenteil des brutalen, illusionslosen Pinkie: gutgläubig, romantisch und loyal, ein ideales Verführungsopfer. Die Dynamik dieser gegensätzlichen Charaktere – hier seine Lust auf Manipulation und dort ihre Ergebenheit – erzeugt die innere Spannung, die den Film trägt.

Die äußere Spannung kommt dadurch zustande, dass es neben dem durch und durch schlechten Pinkie und der ganz und gar guten Rose eine dritte wichtige Figur gibt, Roses Chefin Ida Arnold (Helen Mirren). Sie verkörpert etwas, das man gerne den gesunden Menschenverstand nennt. Ihr ist die Annäherung zwischen Pinkie und Rose suspekt, und als sie sich näher mit der Angelegenheit befasst, kommt sie Pinkies Plan auf die Spur – und erkennt die Gefahr, in der Rose sich befindet.

„Brighton Rock“ basiert auf Graham Greenes gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1938. Im Kern dieses psychologischen Krimis geht es um die Gegenüberstellung von Pinkie und Rose auf der einen und Ida Arnold auf der anderen Seite. Hier die beiden Katholiken, deren Glaube sie nicht davon abhält, Morde zu begehen beziehungsweise einem Mörder gegenüber hingebungsvoll loyal zu sein, dort die weltliche und lebenslustige Ida, die anstelle religiösen Glaubens moralische Prinzipien und menschliches Mitgefühl hat. Doch dieser Kontrast, in abgewandelter Form immer wieder ein Leitmotiv in Greenes faszinierenden Romanen, geht im Film nicht auf. Während Greene, selbst Katholik, die Krimihandlung für Kritik am Katholizismus und die eindrückliche Studie eines soziopathischen Charakters nutzte, dient Regie-Debütant Rowan Joffe das Gangstermilieu lediglich als schicke Kulisse für einen überstilisierten Genrefilm. Tieferes Interesse an den Figuren? Fehlanzeige.

Am deutlichsten zeigt sich dies in der gravierendsten Abweichung von der Vorlage. Der Roman spielt in den Dreißigern, die Verfilmung 1964. Inhaltlich motiviert wird der Kunstgriff dadurch, dass im Film die Debatte um die Abschaffung der Todesstrafe anklingt und mehr oder weniger beliebig der Konflikt zwischen Rockern und Mods eingebunden wird. Auch der Kultfilm „Quadrophenia“, der teilweise in Brighton spielt, mag eine Rolle gespielt haben, und mit Philip Davis (als Spicer) befindet sich sogar ein Hauptdarsteller aus „Quadrophenia“ in Pinkies Gang. In erster Linie scheint es jedoch das werbecliptaugliche Bild eines durch Brighton steuernden VespaSchwarms zu sein, das Joffe zu dieser Entscheidung bewogen hat. Dem Film dienlich ist das alles nicht. Style statt Substanz bleibt die Devise.

Blauer Stern Pankow, Cinemaxx, Kant, Kulturbrauerei; OV im Cinestar SonyCenter, OmU in den Hackeschen Höfen

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