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Spaziergang mit Folgen. Michelle Robinson (Tilka Sumpter) und Barack Obama (Parker Sawyers).

© Capelight Pictures

Film "My First Lady": Barack und Michelle: das erste Mal

Die Anwältin und der Praktikant: „My First Lady“ erzählt vom ersten Date zwischen Barack und Michelle Obama - charmant und mit leichtem Glorienschein.

Ein Sommertag in Chicago. Ein junger Afroamerikaner und eine junge Afroamerikanerin haben sich verabredet – ja, zu was eigentlich? Ein Date darf es nicht sein. Darauf besteht sie, denn sie ist seine Betreuerin. Der Jurastudent von der Harvard-Universität macht ein Sommerpraktikum in der Rechtsanwaltskanzlei, in der sie arbeitet. Ein Flirt gehört sich da nicht.

Die Dramaturgie von „My First Lady“ lebt zu einem Gutteil davon, dass der Zuschauer einerseits bereits weiß, dass es ein Happy Ending geben wird und diese beiden jungen Menschen rund zwei Jahrzehnte später ins Weiße Haus einziehen werden, andererseits das Script aber so tun darf, als hätte es auch ganz anders kommen können. Wer findet schon Filme interessant, in denen sich zwei Menschen bloß in Harmonie begegnen, ganz ohne Spannungsbogen?

Also muss Barack als cooler, erstaunlich selbstbewusster, ketterauchender Lebenskünstler die zunächst spröde und widerspenstige, ganz auf ihre Karriere bedachte Michelle erobern. Fast ein Running Gag: Mehrfach kommen sie auf die Frage zurück, ob dieser Tag nun als Date zähle oder nicht. Die eigentliche Verabredung – die Versammlung einer Bürgerbewegung in dem sozialen Brennpunkt Altgeld Gardens, wo Barack Jahre zuvor als „Community Organizer“ gearbeitet hatte – rückt zunächst in den Hintergrund. Sie besuchen eine afroamerikanische Kunstausstellung, gehen dann ins Kino – natürlich müssen die sozialkritischen Szenen mit gewaltsam explodierenden Rassenspannungen aus Spike Lees „Do the Right Thing“ dabei zu sehen sein. Am Ende freilich ist klar, dass er sie mit seinem Auftritt in Altgeld Gardens vor den benachteiligten „Brothers and Sisters“ rumkriegt. Mit seiner Fähigkeit, an diesem verwahrlosten Ort Zuversicht und Energie zu wecken.

Und gleich reden sie über seine Ex-Freundinnen?

Vor allem aber reden, reden, reden sie miteinander. Und da beginnen die Herausforderungen, die Drehbuch und Regisseur nicht durchweg überzeugend meistern. Manche Dialoge und Situationen wirken ein wenig künstlich. So ruft eine in Hawaii lebende Großmutter den Enkel in Chicago an, um nach dem Aussehen der Frau zu fragen, mit der er sich verabredet hat – und das „just in time“, bevor er los muss? Oder: Diskutiert eine junge Schwarze mit ihren Eltern kurz vor dem ersten Ausgehen, ob Barack nun ein Arbeitskollege, ein Freund oder doch mehr sei – und das nicht in Form neckender Anspielungen, sondern ernsthaft abwägend wie in einem Seminar? Und wie glaubwürdig ist es, dass die beiden an diesem Tag über Baracks weiße Ex-Freundinnen aus seinen New Yorker Studienjahren gesprochen haben?

Die Szenen und Themen haben die Filmmacher aus Barack Obamas Büchern übernommen – und eigentlich wissen wir nicht, ob sie im Detail stimmen oder das bedacht geformte Narrativ sind, auf dem er seine politische Karriere aufbaute. Der Rückblick hat seine guten Seiten. Der Zuschauer wird daran erinnert, welchen erstaunlichen Lebensweg die Obamas genommen haben. Er ist der Sohn einer alleinerziehenden weißen Mutter und eines Kenianers, der die Familie verließ, als der Sohn zwei Jahre alt war. Barack schlug die gut bezahlten und prestigeträchtigen Einstiegsjobs aus und leistete als Community Organizer Sozialarbeit in der South Side von Chicago, wo mit Drogen gedealt und nachts geschossen wurde. Michelle kommt aus einem schwarzen Arbeiterhaushalt. Sie und ihr Bruder Craig waren die Ersten in der Familie, die studieren konnten. Sie teilte seinen sozialpolitischen Idealismus zunächst nicht, sondern war auf gut bezahlte Jobs bedacht.

Leider nur schildert der Film die sozialromantischen und idealistischen Komponenten dieser beginnenden Liebesgeschichte mit dem moralischen Vorschlaghammer. Es ist ja dankenswert, dass die Produzenten ein Exemplar des Autotyps, den Barack damals fuhr, aufgetrieben haben: ein alter gelber Datsun mit einem Rostloch im Bodenblech. Barack nannte den Wagen, wie man von Weggefährten weiß, „meine reife Banane“. Aber muss das Loch im Boden gleich so groß ausfallen, dass Michelles Fuß durchpassen könnte? Spricht man beim ersten Ausgehen so wie Michelle über ihre Zweifel, ob sie ihre guten Noten verdiente? Da wird etwas dick aufgetragen: die heilige Michelle und der heilige Barack der Slums von Chicago. Dabei hätte der Regisseur und Drehbuchautor Richard Tanne das in seinem Spielfilmdebüt leicht abmildern können: indem er Zeitzeugen in die Handlung integriert, die in Obamas Büchern zwar erfundene Namen tragen, deren Identität aber inzwischen bekannt ist.

Äußerlich ähneln die Schauspieler ihren Vorbildern kaum. Macht gar nichts

Schauspielerisch imponiert vor allem Parker Sawyers. Er ist Barack zwar wenig ähnlich – so wenig wie Tilka Sumpter ihrer Michelle. Aber Sawyers hat sich Obamas Körperhaltung und Bewegungsabläufe überzeugend angeeignet.

Der Film ist in den USA freundlich aufgenommen worden – und er verdient den Erfolg. Amerika ist fasziniert von seinen Präsidenten und ihren Lebensgeschichten. Woher stammen sie, was hat sie geprägt, welche ihrer Entscheidungen lassen sich aus wichtigen Erlebnissen ableiten? Auch Oliver Stone hatte seinen – weit kritischeren – Film „W“ über den jungen George W. Bush in dessen letztem Amtsjahr, 2008, in die Kinos gebracht.

"My First Lady" erzählt sympathisch und in manchen Passagen anrührend von dem Sommertag, an dem Barack und Michelle erstmals miteinander ausgingen. Auf den Film, der schildert, wie er zum 44. Präsidenten wurde und sie zur First Lady, muss man noch warten. Er wird kommen. Die Obamas werden die USA und die übrige Welt auch nach ihrem Auszug aus dem Weißen Haus beschäftigen. Wobei der Kontrast zu ihren Nachfolgern die Faszination noch steigern dürfte.

b-ware! Casablanca, Cinemaxx, Filmkunst 66; OV: Cinestar SonyCenter; OmU: Kulturbrauerei, Hackesche Höfe

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