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Traumbild. Mitra (Neda Rahmanian, li.) und ihr Star (Najia Skalli).

© Razor Film

Film über Oum Kulthum: Die Diva aus Kairo

„Auf der Suche nach Oum Kulthum“: Die iranische Regisseurin Shirin Neshat trifft in ihrem neuen Film auf den Geist der legendären ägyptischen Sängerin.

Sie singt nur zwei, drei Töne mit ihrer unglaublich tiefen, vibrierenden Stimme, und es ist alles da. Der Schmerz der arabischen Welt, die Schönheit, die Seele, die Erotik, das Verlangen nach Freiheit. Oum Kulthum (um 1904–1975) konnte die Silben modulieren in ihren langen, mit Schluchzern versetzten Melismen, bis der Sinn der Worte sich änderte. Geheime Botschaften, die alle ihre Hörer verstanden, nicht nur in Ägypten, auch in Israel und Iran. Die Straßen leerten sich, wenn Oum Kulthum im Radio sang. Viel mehr erfährt man leider nicht über die Callas des Nahen Ostens, bei deren Beerdigung vier Millionen Menschen die Straßen von Kairo gesäumt haben sollen.

Dafür erfährt man in Shirin Neshats „Auf der Suche nach Oum Kulthum“ viel über die Regisseurin, die einen Film über die Sängerin drehen möchte. Mitra (Neda Rahmanian) heißt Neshats Alter Ego, eine Iranerin im ägyptischen Exil, selber ein Star, ein Regiestar in der Krise. Eine Frau in einer Männerwelt, wie Oum Kulthum, wie die Iranerin Shirin Neshat selbst, die sich mit ihrer Video- und Filmkunst den Frauen in der arabischen Region verschrieben hat. 2009 erhielt sie für ihr Kinodebüt „Women without Men“ in Venedig den Silbernen Löwen.

Neshat enttäuscht die Neugier, die ihr Film weckt

Also ein Film über Frauen heute, über die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie: Mitras Sohn schickt ihr Hass-Nachrichten, eines Tages ist er verschollen. Über den Sexismus der Männer: Ahmed, einer der Schauspieler auf Mitras Set, will sich der Regisseurin nicht unterordnen. Über den Ruhm, der einen von den Menschen entfremdet. Und über die Unmöglichkeit, dem Mythos Oum Kulthum beizukommen. Aber warum stellt Shirin Neshat diese (Selbst-)Erkenntnisse so wehleidig, so pathetisch zur Schau? Und warum erfährt man nicht einmal in Mitras Film-im-Film, was die Sängerin überhaupt zu einer mythischen Figur in der gesamten arabischen Welt machte? Und ob der Ruhm auch sie korrumpierte und sie ihre dörflichen Wurzeln verriet, spätestens als Präsident Nasser sie die vierte Pyramide Ägyptens nannte.

Dunkle Räume, statuarische Figuren, erlesenes Ausstattungsdesign, vorzugsweise bordeauxrot: Der österreichische Kameramann Martin Gschlacht komponiert betörende Bilder, man kennt diese kunstgewerbliche Ästhetik von „Women without Men“. Hinzu kommen feierliche Zeitlupenszenen und ein raunender Orchestersound. Oum Kulthums Originalstimme erklingt kein einziges Mal. Ihre Darstellerin Yasmin Raeis bringt eine natürliche Aura mit; ob sie selbst singt, wer ihre Stimme doubelt, man weiß es nicht. Zum Schluss, als Mitras Projekt gescheitert ist, sucht die ältere Oum Kulthum (Najia Skalli) die Regisseurin als Geist heim. „Man kann es nicht jedem recht machen“, sagt Mitra. „Wie arrogant“, erwidert die Sängerin. Die beiden verstehen sich nicht.

So enttäuscht Shirin Neshat eben die Neugier, die ihr Film weckt. Auf die Frauenbewegung in Ägypten vor gut 100 Jahren, auf die Diven der arabischen Welt. Und auf diese Stimme, die die Poesie in die Ekstase trieb und von der sich alle getröstet fühlen.

In den Kinos Delphi Lux, Kant, New Yorck und Passage

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