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Kultur: Filmen mit der Kaffeekanne

David Fincher, geboren 1962, dreht seit zehn Jahren in Hollywood. Herr Fincher, sind Sie selbst verantwortlich für die spektakulären Vorspänne Ihrer Filme?

David Fincher, geboren 1962, dreht seit zehn Jahren in Hollywood.

Herr Fincher, sind Sie selbst verantwortlich für die spektakulären Vorspänne Ihrer Filme? Zum Beispiel für die Kamerafahrt durch das Gehirn des Helden in "Fight Club"?

Ja, das bin ich. Wissen Sie, viele Leute behandeln den Vorspann als verlorene Zeit nach dem Motto "Okay, wir müssen halt sagen, wer den Film gemacht hat". Für mich ist er eine Möglichkeit, gleich zu Beginn des Films auf die Atmosphäre einzustimmen. In "Fight Club" musste ich an einem ganz bestimmten Punkt der Geschichte darauf hinweisen, dass der Erzähler nicht zuverlässig ist. Und da hielt ich es für eine geeignete Methode, das Publikum in die Lage zu versetzen, sich zurückzubeziehen auf die Titelsequenz. Dann nämlich, wenn es merkt, dass alles, was passierte, nur in seinem Kopf stattfand.

In "Seven" bekommt man einen ersten Eindruck vom Serienkiller, ohne ihn zu kennen.

Ja, natürlich, am Anfang kapiert man diese Eröffnungssequenz nicht, erst später weiß man sie zu deuten. Ursprünglich hatten wir eine Sequenz geplant, die Morgan Freeman im Zug von Upstate New York zurück nach New York City brachte, aber das wäre zu teuer gewesen. Wir hatten nur noch 20 000 Dollar übrig. Aber der Cutter Richard Francis-Bruce und ich dachten, dass eine sehr lange Zeit vergeht, bevor der Antagonist irgendwie in Erscheinung tritt. So war die Titelsequenz eine Möglichkeit zu zeigen, dass er bereits da draußen an der Arbeit ist.

In "Panic Room" zeigen Sie all diese Hochhäuser, dicht an dicht, mit den Credits, die sich wie Reklamebuchstaben daran schmiegen.

Ja, ich wollte dieses Mal eine verspieltere Titelsequenz, eine Hommage an Alfred Hitchcocks Filme. In den vierziger Jahren haben sie oft diese riesigen Buchstaben gehabt, die Schatten warfen, und man wusste nicht, sollten sie dreidimensional wirken oder was? Das fand ich immer sehr faszinierend. Und jetzt, mit dem Computer, konnte ich mit den Schrifttypen und Buchstaben spielen, man hätte sie überall anbringen, hervorspringen, sie sich sogar bewegen lassen können. Ich mochte diese Fahrt von Downtown Manhattan nach Uptown, aber man sieht eben keine Postkartenansichten. Und da drüber haben wir dann diese dreidimensionalen Buchstaben gelegt, die sich der Architektur anpassen und von derselben Sonne bestrahlt werden wie die Gebäude.

Die Kamera, die in "Panic Room" durch das Haus eilt, scheint die Perspektive eines heimlichen Beobachters zu haben - als ob schon jemand da wäre, bevor die Räuber kommen.

Nein, ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Heutzutage ist das Publikum doch so gut geschult, dass es weiß, bei einer Schuss-Gegenschuss-Einstellung einer Gesprächssituation wuseln ungefähr neun Leute herum, die Kamerawagen, Mikrofone und die Kamera bedienen. Instinktiv weiß man, dass eigentlich nichts wirklich Schlimmes passieren kann. Es ist ja schließlich die ganze Filmcrew dort. Wenn sich aber die Kamera durch den Griff einer Kaffeekanne windet, dann können da nicht neun Leute hinterher. Also gibt es niemanden dort. Die beiden sind allein. Ich wollte eine Bedrohung, eine Spannung dadurch schaffen, dass ich durch das Haus zoome und dem Publikum sage: Ihr seid mit diesen Leuten allein im Haus, es gibt keine Crew. Ihr seid jedoch abgetrennt von jeglicher physischen Realität, wie die Figuren sie erleben. Egal also, wie laut ihr schreit, sie können euch nicht hören!

Sie verlangen viel von Ihrem Publikum, das Ihnen durch Decke und Fußboden oder Schläuche und Schlüssellöcher folgen muss...

In "Panic Room" ist es wichtig, dass die Zuschauer überall hin können, wo die Figuren sind und wissen, was sie im Sinn haben. Wenn also Forrest Whitaker diesen Propangasbehälter entdeckt und nach oben bringt, dann könnte man sich fragen, was er damit will. Und es soll ganz klar sein: Er öffnet den Hahn, jetzt strömt, pschschsch, das Gas aus, in den Panic Room hinein und so weiter. Viel von diesen ganzen stilisierenden Kamerafahrten sollte einfach eine Verbindung von A nach B herstellen.

Sie haben alle Ihre Filme in Panavision gedreht und das Format benutzt, um die Beschränkung des Raums zu zeigen anstatt die Weite.

Das Format ist häufig benutzt worden, um eine klaustrophobische Atmosphäre herzustellen. Ich mag es, weil es der menschlichen Wahrnehmung ähnelt. Das normale Gesichtsfeld erstreckt sich doch eher in die Breite als in die Höhe. Alles andere sieht für mich aus wie Fernsehen. Ich mag das Format, weil es eben aussieht wie Kino.

"Seven" und "Fight Club" sind Visionen des Verbrechens der Zukunft: des Terrorismus. Und nach dem 11. September 2001 lassen zumindest die Reichen zunehmend Panic Rooms in ihre Wohnungen einbauen.

Daran habe ich noch nie gedacht.

Aber ich habe gelesen, dass Sie nach dem 11. September 2001 als Spezialist in Sachen Terrorismus kontaktiert wurden.

Ach so, ja, das war eine Gruppe von Leuten aus Hollywood, die gebeten wurden, Theorien über mögliche Szenarien zu entwickeln. Aber es kam nichts dabei heraus. Das Problem, wenn man Hollywood zu dieser Art von Ideen befragt, ist, dass wir dort gelernt haben, den Bösewicht zu simplifizieren. Es ist sehr schwierig für Leute, die in Hollywood-Strukturen denken, sich die Rache eines idealistischen Führers vorzustellen, weil es nicht in ihre Welt passt, in der es immer um materielle Werte geht, gewöhnlich um Geld. Das andere wäre mehr eine Art Held, nach Hollywood-Regeln. Also, das war eine sehr schwierige Geschichte. (Lacht.)

Herr Fincher[sind Sie selbst verantwortlich f&uum]

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