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Filmfestival von Cannes: Coens hinterlassen Blutspur

Im Rennen um die Goldene Palme in Cannes liegen zwei Filme weit vorne, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ein rumänisches Drama glänzt mit Zurückhaltung, während die Brüder Coen auf schwarzen Humor mit verschrobenen Details setzen.

Cannes - Überraschender Halbzeitstand im Wettbewerb von Cannes: Ein kleines Drama aus Rumänien hat durchaus Chancen auf einen großen Preis. Dem 39 Jahre alten Regisseur Cristian Mungiu ist mit "Vier Monate, drei Wochen und zwei Tage" das Kunststück gelungen, die Geschichte einer illegalen Abtreibung als vielschichtiges Porträt des Alltags in den letzten Jahren des Kommunismus in Rumänien zu erzählen. Doch auch die amerikanischen Brüder Joel und Ethan Coen kommen mit "No Country for Old Men" in den Hitlisten der Kritiker ziemlich gut weg. Insgesamt präsentierte der Wettbewerb bisher durchaus hohes Niveau bei weitgehend düsteren und tragischen Stoffen.

Die Qualitäten des rumänischen Werkes liegen in seiner Zurückhaltung. Mungiu verzichtet auf alles Plakative. Er setzt ganz auf sensible Beobachtung und die feine Schauspielkunst seiner Darsteller. Alles andere als dezent gehen die Coens zu Werke. Der in Texas spielende Film um einen Koffer voller Drogengeld und einen Serienkiller erfreut durch verschrobene Details und schrägen schwarzen Humor.

Tommy Lee Jones verbreitet in "No Country for Old Men" als altmodischer Polizist Melancholie. Die Zeiten sind härter geworden für aufrechte Cops wie ihn. Denn er hat es mit einem der extremsten Killer des amerikanischen Autorenfilms zu tun: Bewaffnet mit Bolzenschussgerät, Riesenkanone und einer gewaltigen Portion Wahnsinn hinterlässt der spanische Star Xavier Bardem in dieser Rolle eine breite Blutspur. Die so erzeugte Aufmerksamkeit kann die Story nicht halten. Vor allem mit den exzessiven Gewaltszenen werden viele Fans von Coen-Filmen wie "Fargo" oder "Barton Fink" Probleme haben.

Leise Töne bei Gus Van Sant

Ganz leise im Ton kommt Gus Van Sants "Paranoid Park" daher. Wie schon in seinem Palmen-Film "Elephant" bewegt er sich im Umfeld einer amerikanischen Highschool. Ein 16-jähriger Skateboarder tötet unabsichtlich einen Wachmann in der Nähe einer Skater-Anlage und beschließt, niemandem etwas davon zu erzählen. Van Sant beweist sich wieder als Anwalt von Jugendkultur und Pubertätsproblemen, die Bilder aus der Kamera von Christopher Doyle entfalten einen fast hypnotischen Sog. Leider lebt seine Hauptfigur in einer Welt voller Klischees, wie sie eher in einen Schulfilm für die Sozialkundestunde passen: Die süße, blonde Freundin will nur Sex, alle Eltern sind abwesend oder getrennt, die einfühlsame Klassenkameradin hat Pickel.

Einen bitteren Ausflug in die Welt der "abgehängten" Unterschicht Europas unternimmt der Österreicher Ulrich Seidl in "Import Export". Der "Import" besteht aus einer hübschen jungen Frau aus der Ukraine, die als Krankenschwester nichts verdient und einen Job mit Internet-Sex nicht ertragen kann. Sie verlässt ihre verrottete Wohnsiedlung und ihr Kind, um als Putzfrau in Österreich eine Chance zu finden. Als "Export" verfolgt Seidl einen jungen arbeitslosen Österreicher auf der Suche nach Arbeit, Geld und Sinn bis in die Ukraine. Gnadenlos schaut er auf die sexuelle Ausbeutung der osteuropäischen Frauen oder die bizarre Trostlosigkeit einer Altenpflegestation in Wien. Seidls dokumentarische Inszenierungen sind alles andere als erbaulich - doch sie bilden gerade in der irrealen Glitzerwelt von Cannes einen wichtigen Gegenpol. (Von Karin Zintz, dpa)

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