zum Hauptinhalt

Filmfestival: Woody Allen in Nahost

Humor und Seelenschau beim dritten Arabischen Filmfestival "Al Film" in Berlin. Zu sehen sind rund 60 Werke. Auch die Revolutionen des Frühlings werden thematisiert

Der Hausarzt bescheinigt Raed Andoni, dass er körperlich gesund ist. Für die ständigen Kopfschmerzen sei er nicht der richtige Anprechpartner. „Frag Olmert oder Abu Mazen“, rät er dem palästinensischen Regisseur, gemeint sind der damalige israelische Premier und der palästinensische Präsident. Der früher politisch aktive Palästinenser Andoni will sein Leben aber gerade nicht mehr von dem Nahostkonflikt dominieren lassen und beginnt eine Therapie, bei der er sich in etwa 20 Sitzungen filmen lässt.

Herausgekommen ist der selbstironische Dokumentarfilm „Fix me“, der von dem aussichtslosen Versuch handelt, sich in der palästinensischen Gesellschaft als Individuum zu definieren und nicht nur als "wir", das sich in der permanenten Auseinandersetzung mit der israelischen Besatzungsmacht befindet. Geht Andoni in seine Kindheit zurück, erinnert er sich nur, wie Soldaten das Haus stürmten, um den älteren Bruder festzunehmen. Fragt er einstige Weggefährten, wo sie hinreisen würden, wenn es Frieden und Bewegungsfreiheit für Palästinenser gäbe, fällt ihnen nichts ein. „Ich bin in meinen 50 Lebensjahren nur bis ins 20 Kilometer entfernte Jericho gekommen“, lautet die lakonische Antwort. Das Träumen haben sie längst aufgegeben. Mit Witz und Scharfsinn taucht Autor und Regisseur Andoni in das kollektive Unterbewusste der Palästinenser ein – und wirkt dabei wie Woody Allen auf Arabisch.

Gezeigt wird „Fix me“ im Hauptprogramm des am heutigen Mittwoch beginnenden Arabischen Filmfestivals „Al Film“ mit rund 60 Filmen, die es sonst selten auf europäische Leinwände schaffen. Sie laufen in den Kinos Babylon, Eiszeit, Rollberg und dem Hebbel am Ufer. Darunter befinden sich natürlich auch Beiträge, die von den arabischen Revolutionen handeln. So besteht der Eröffnungsfilm „18 Days“ aus einer Folge von zehn Kurzfilmen ägyptischer Regisseure über die Tage der Revolution. Zu sehen ist auch „Forbidden“ der Ägypterin Amal Ramsis, die kurz vor der Revolution von der aufgestauten Wut erzählt über all die aus politischen oder sozialen Gründen verbotenen Dinge: von Parteigründungen bis öffentliches Händchenhalten.

Die „Freunde der arabischen Kinemathek“, der Verein, der bereits zum dritten Mal das Festival organisiert, hat ausdrücklich nicht seine gesamte Planung wegen der aktuellen Ereignisse umgeworfen. „Wir wollen nachhaltig einen anderen Zugang zur arabischen Welt vermitteln“, erklärt Programmgestalterin Claudia Romthane. Daher bleibt die Sektion „Fokus“ wie vorgesehen dem arabischen Humor gewidmet. Darin werden ägyptische Komödien aus den 30er und 40er Jahren ebenso gezeigt wie der zeitgenössische algerische Film „Mascerades“, in dem ein Gärtner seine Schwester reich verheiraten möchte. Dazu gibt es am 6. November eine Podiumsdiskussion über „Humor im arabischen Film – Zwischen Subversion und Slapstick“.

„Wir wollen das Vorurteil widerlegen, dass Araber keinen Humor haben“, erklärt Romthane. Gerade der Karikaturenstreit habe im Westen die Überzeugung gefestigt, dass Araber keinen Spaß verstehen. Nach Ansicht Romthanes liegt das auch daran, das von Europa nur Filme gefördert und gezeigt werden, die sich Themen wie der Benachteiligung von Frauen, sozialer Ungerechtigkeit oder den Gefahren des Islam widmen. „Die heiteren Komödien der lokalen Filmindustrie scheren sich nicht um europäische Erwartungen und bieten deshalb überraschende Einblicke“, findet Romthane.

Begonnen hatten die Filmfreunde mit einzelnen Filmabenden, 2009 organisierten sie das erste Festival, 2010 hatten sie bereits 4000 Zuschauer. Jetzt bekommen die ehrenamtlichen Organisatoren erstmals solide finanzielle Unterstützung. Der Hauptstadtkulturfond fördert den „Fokus“ zum arabischen Humor.

www.alfilm.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false