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Filmfestspiele: Crash mit Schalldämpfer

Im Berlinale-Wettbewerb erzählt Regisseur Fernando Eimbcke mit "Lake Tahoe" eine lakonische Geschichte aus Mexiko.

Nicht viel los in diesem Kaff. Der Wind rauscht leise durch die Straßen. Mal bellt ein Hund. Gelegentlich bewegt sich ein Auto. Ansonsten dämmert der karge Ort unter der Sonne Yucatáns müde vor sich hin. Gut, es ist Vormittag, aber man hat nicht den Eindruck, als würde sich hier irgendwann noch was tun. Menschen? Wenige. Nur Juan (Diego Cataño) ist unterwegs. Er hat sein Auto gegen einen Strommast gesetzt und ist auf der Suche nach einer Werkstatt. Dabei sieht man ihn von rechts nach links – manchmal auch von links nach rechts! – durch die streng symmetrisch komponierten Bilder laufen. Das kann dauern: „Lake Tahoe“ ist ein Film in Cinemascope – mit langen Schwarzblenden zwischen den einzelnen Bildern.

Wie einst Karl Valentins Buchbinder Wanninger wird Juan ständig weiter verwiesen. Dabei trifft er auf sonderbare Figuren: eine Punkrock-Göre in einem Ersatzteil-Geschäft, die keine Ahnung von Autos hat; ein Bruce-Lee-Fan, der auf der Straße Martial-Arts-Übungen beginnt; ein alter Mechaniker, der in stiller Eintracht mit seinem Hund sein Müsli frühstückt. Der mexikanische Regisseur Fernando Eimbcke hält das in Einstellungen fest, die so regungslos sind, dass ein kurzer Schwenk einem mittleren Erdbeben gleichkommt. Durch diese Starre gelingt es ihm, nicht nur die Trägheit des Ortes spürbar zu machen, sondern auch humoristische Funken zu schlagen.

Spätestens seit der letzten Oscar-Verleihung müsste klar sein: Mit dem mexikanischen Kino kann wieder gerechnet werden. Damals lagen sich die Regisseure Alejandro González Iñárritu, Alfonso Cuarón und Guillermo del Toro in den Armen und erzählten stolz von ihren insgesamt 16 Nominierungen. Fernando Eimbcke, 37, ist ein paar Jahre jünger. Und sein zurückhaltender Gestus könnte sich kaum deutlicher vom fiebrigen Stil Iñárritus oder der überbordenden Fantasie del Toros unterscheiden. Die leergefegten Räume, die geometrischen Farbflächen der Architektur, die Schattenwürfe – Eimbckes Bilder bedienen sich bei Malerei und Kunstfotografie. Eine Stilübung, denkt man zunächst.

Doch irgendwann mischt sich eine andere Tonlage unter die Lakonie, und es wird klar: Hier sind nicht nur eine Stoßstange und ein Frontkühler kaputt gegangen – hier wurde etwas viel Wichtigeres zerstört. „Lake Tahoe“ ist auch ein stiller, autobiographischer Film über Verlust und Trauer. Der Regisseur hat ihn seinem toten Vater gewidmet.

Heute 9.30 Uhr und 23.30 Uhr (Urania), 20 Uhr (International), 17. 2., 13 Uhr (Berlinale-Palast)

Julian Hanich

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