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Ein Herz und eine Seele. Madeleine (Annie Cordy) mit Enkel Romain (Mathieu Spinosi).

©  Neue Visionen Filmverleih

Filmkomödie "Zu Ende ist alles erst am Schluss": Auf einen Tee mit Madeleine

Oma liebt Enkel, Enkel liebt Oma, und die Eltern kommen irgendwann auch irgendwie klar: Der Franzose Jean-Paul Rouve erzählt in seinem Kino-Hit "Zu Ende ist alles erst am Schluss" eine Fabel vom Generationenfrieden.

Vierzig Jahre hat Michel in seiner Postbank-Zweigstelle gearbeitet, und nun tritt er in den wohlverdienten Ruhestand. Die Kollegen und der Chef haben eine kleine Feier organisiert: Ein Resopaltisch ist mit Papierservietten gedeckt, es gibt Apfelsaft, Knabbergebäck, warme Worte und sogar ein Geschenk. Das war’s – und den angebrochenen Apfelsaftkarton darf Michel mit nach Hause nehmen.

In dieser erschütternd tristen Szene klingt der Grundkonflikt bereits an: Der Mann geht in Rente und weiß nichts mit sich anzufangen, während seine Ehefrau Nathalie hoch aktiv ihren sozialen und physischen Leidenschaften frönt. Der Sohn Romain ist Student und knapp bei Kasse, die frisch verwitwete Mutter Madeleine soll ins Altersheim. Michel sieht sich mit lauter Problemen konfrontiert, um die er sich bisher nicht kümmern musste, weil anscheinend alles rund lief. Jetzt aber entgleitet ihm offenbar seine Frau Nathalie, während sein Sohn und seine Mutter gegen ihn paktieren. So ein Durcheinander! Und das, wo Michel doch so viel vorhatte in seiner neu gewonnenen Freizeit.

Die vernachlässigte mittlere Generation

Damit man aber begreift, dass es sich um eine Komödie handelt, werden den Protagonisten – dem grämlich-verdrucksten Michel (Michel Blanc), seiner klimakteriumskreglen Gemahlin (Chantal Lauby), deren süß-verstrubbeltem Sohn (Mathieu Spinosi) und Michels Mutter (Annie Cordy: alt, aber oho!) – einige Nebenfiguren beigegeben, die man sehr, sehr skurril finden soll: So gefällt sich Regisseur Jean-Paul Rouve selbst als weintrinkender Besitzer eines Hotels, in dem der Student jobbt. Es gibt einen philosophierenden Tankwart, eine neckische Altersheimdirektorin, einen Freizeitmaler.

Als Michels Mutter aus dem Altenheim verschwindet und ihr Enkel nach ein paar Tagen eine Karte erhält, macht der sich auf den Weg zu ihrem Geburtsort Étretat, wo er sie zu Recht vermutet. Die normannischen Kreidefelsen bilden die Kulisse für die liebevolle Großmutter-Enkel-Beziehung, die zu ihrer Apotheose geführt wird. Die winterlich leeren Strände spielen dabei die gleiche Rolle wie etwa in „Verstehen Sie die Béliers?“ die ländliche Kleinstadt: Sie fungieren als Zeugen und Verstärker einer behaupteten Harmonie, in die sich hier schließlich sogar die vernachlässigte mittlere Generation einfügt.

Am Ende steht die Integration von Gegensätzen

Dass am Ende einer Komödie die Integration von Gegensätzen steht, ist ein Gesetz des Genres, und die erfolgreichsten französischen Komödien der letzten Zeit wimmelten davon: die Nordfranzosen und der große Rest („Willkommen bei den Sch’tis“), ein reicher querschnittsgelähmter Bourgeois und sein armer senegalesischer Pfleger („Ziemlich beste Freunde“), die Gehörlosen und die Hörenden („Verstehen Sie die Béliers?“) schließlich die vier Schwiegersöhne aus unterschiedlichen Ethnien und das wohlhabende Provinzbürgertum („Monsieur Claude und seine Töchter“). Da scheint offenbar jede denkbare Abweichung von der Norm zum Komödienstoff zu taugen. Auffallend dabei, dass eine sehr große französische Minderheit keineswegs zur tränenseligen Umarmung animiert: die Bewohner der Banlieues.

In „Zu Ende ist alles erst am Schluss“ gibt es eine Nebenfigur namens Karim; er ist der Wohngenosse und beste Freund von Romain, und er ist nordafrikanischer Abstammung. Als Sidekick des jugendlichen Helden ist er naiv, tumb und uncharmant; jede Frau, die ihm irgendwie in die Quere kommt, macht er an; kurz: Die Figur wird zugunsten einiger billiger Witze denunziert. Schon merkwürdig: Wenn Menschen arabischer Abstammung sich in die französische Harmonödie verirren, dann sind sie perfekt ins Savoir vivre eingepasst – etwa Schwiegersohn Rachid als arrivierter Anwalt in „Monsieur Claude“. Dort sind die Gegensätze zu den katholisch-bourgeoisen Schwiegereltern nur behauptet, das gemeinsame Singen der Marseillaise bringt den glatten Konsens auf den Punkt. Allons enfants? Die Braven dürfen ins Filmchen, die Unangepassten müssen draußen bleiben.

In 13 Kinos; OmU im Cinema Paris und Hackesche Höfe Kino

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