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Krinolinen und Matrosenanzüge. Die Kostümgalerie im Filmmuseum am Potsdamer Platz.

© Marian Stefanowski/Deutsche Kinemathek

Filmkostüme von Barbara Baum im Museum für Film und Fernsehen: Kleider machen Geschichten

Die Frau, die Meryl Streep und Armin Mueller-Stahl verehren: Die Ausstellung „Hautnah“ im Berliner Filmmuseum würdigt die Kostümbildnerin Barbara Baum.

Allein die Stoffprobe ist ein Blickfang. Leuchtend türkiser Tweed! Der Stoffstreifen ist gleich zu Beginn der Ausstellung „Hautnah. Die Filmkostüme von Barbara Baum“ ausgestellt. Er illustriert eine schwungvolle Modezeichnung. In der Vitrine, die Entwürfe aus dem Frühwerk enthält.

Aus der Zeit, als Barbara Baum noch keine vielfach preisgekrönte Kostümbildnerin war, sondern eine junge Modedesignerin, die ihre Figurinen mit Notizen versieht und signiert. „Zu diesem Tweed- Kostüm (ein französischer Stoff) habe ich den Blusen Georgette extra einfärben lassen. Die Kundin hat wunderbares rotblondes Haar!“, steht da zu lesen. Türkis und rotblond, eine effektvolle Kombination, die bereits Barbara Baums Blick für textile Inszenierungen verrät.

Die schimmernde Rüstung ist oxidiert

Ihre berühmte Silberlamé-Robe der Lili Marleen wird allmählich zur guten Freundin. Sie ist im nächsten Ausstellungsraum – flankiert von 40 weiteren Kostümen – zu sehen. Bereits vor fünf Jahren war die von Hanna Schygulla 1980 im Fassbinder-Film getragene, schimmernde Rüstung im Berliner Gropius Bau zu sehen.

In der Ausstellung „Fassbinder jetzt“. Als ein Beispiel für die zeitlose Eleganz von Barbara Baums Kostümen, die insgesamt acht Filme von Rainer Werner Fassbinder veredelte. Aber genauso als Beispiel für den unbarmherzig nagenden Zahn der Zeit. Die Metallfäden des Originalstoffs aus den Dreißigern sind oxidiert und gleichen nun nicht mehr Silber, sondern Bronze. Textilien sind wie Film – endliches Material.

Meryl Streep, Stanley Kubrick, Bille August, Jessica Schwarz, Detlev Buck, Catherine Zeta-Jones, Bernd Eichinger, Faye Dunaway, Volker Schlöndorff – sie alle sind oder waren Fans von Barbara Baum. In Zitaten, die Baums durch Fotos, Entwürfe, Stoffproben, Korrespondenzen und Notizen verdeutlichten Arbeitsprozess flankieren, preisen sie ihr Gespür für Stoffe, Charaktere und deren in Textil gegossene Entwicklung.

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„Kleider machen Leute… Ihre Kostüme machten Rollen!“, sagt Hanna Schygulla über Baum. Nils Warnecke von der Deutschen Kinemathek spricht beim Rundgang von Barbara Baums Fähigkeit, Kleidung zu individualisieren. „Die Kostüme sind nicht nur Kleider, sondern jeweils die spezifische Figur.“

Iris Berben, die von Baum für „Die Manns“ von Heinrich Breloer angezogen wurde, widmete deren Handwerkskunst und ästhetischem Empfinden 2015 warme Worte. Da wurde Barbara Baum die Lola der Deutschen Filmakademie für das Lebenswerk verliehen. Baum stecke die Figuren nicht nur in Kleider aus einer anderen Zeit, sagte Berben, sondern in die Zeit selbst. „Das gibt den Trägerinnen Halt und Haltung.“

Der Entwurf für das Lili-Marleen-Kleid.
Der Entwurf für das Lili-Marleen-Kleid.

© DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum / Archiv Barbara Baum / Fotografin und Entwurf: Barbara Baum

Die Berge von Originalstoffen, die Barbara Baum in den Siebzigern aus alten Ufa-Beständen gekauft hat, haben – neben der hochwertigen Verarbeitung – ihren Anteil an der Wirkung. Einige aus Baums Archiv, die in einer Vitrine zu sehen sind, lassen sich nebenan an den Kostümen wiederfinden.

An Videostationen erzählt Barbara Baum selbst von ihrer Arbeit und einigen der 70 Filme, die sie ausgestattet hat. Darunter sind „Homo Faber“, „Das Geisterhaus“ oder „Das Mädchen Rosemarie“.

[Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Str. 2, bis 3. Mai, Mi – Mo 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr]

Die 1944 geborene Modedesignerin ist in Berlin aufgewachsen und lebt in einer Altbauwohnung in Friedenau inmitten von Erinnerungsstücken aus fünf Jahrzehnten Filmschaffen. Dazu gehört auch ein von Textilien überquellendes Atelier. Brokat, Duchesse, Musselin, Samt, Satin, Tüll, Organdy. Das Material ist Barbara Baums Inspirationsquelle. „Ich denke in Stoffen. Bei außergewöhnlichen bekomme ich sogar Gänsehaut.“

Ein Gefühl, dass die im Filmmuseum Frankfurt deutlich großzügiger als in Berlin konzipierte und zuerst gezeigte Schau auch Sehbehinderten verschaffen will. Mittels Audioguide, Infos in Brailleschrift und der Möglichkeit, die Beschaffenheit von Spitze, Baumwolle und Seide anhand von Mustern zu erspüren.

 Schimmernde Rüstung. Hanna Schygulla glänzte als Lili Marleen in Fassbinders Film von 1981 in einem spektakulären Silberlamé-Kleid. Idee und Entwurf (re.) sind ein Werk von Barbara Baum
Schimmernde Rüstung. Hanna Schygulla glänzte als Lili Marleen in Fassbinders Film von 1981 in einem spektakulären Silberlamé-Kleid. Idee und Entwurf (re.) sind ein Werk von Barbara Baum

© Deutsches Filminstitut & Filmmuseum / Archiv Barbara Baum / Barbara Baum

Mit den im Museum ausgegeben Einweghandschuhen, die die derzeit nötigen Hygieneregel erzwingen, klappt das allerdings nicht hundertprozentig. Überhaupt lässt sich die zahllose Details und auch lästige Budgetfragen umfassende Arbeit einer Kostümbildnerin nur schwer in Ausstellungsform bannen. Ungetragene Kleider sind tot, selbst wenn sie – auf Gestelle drapiert – die Körperhaltung der Figur einnehmen.

Da ist es zwingend, sich die Zeit zu nehmen, Barbara Baum in den Videos zuzuhören, wie sie von ihren Kämpfen mit Produzenten und Regisseuren erzählt. „Sie haben immer gesagt, na, wenn die kommt, dann wird's doppelt teuer“, erzählt sie, und ergänzt: Nee – dann wurde es richtig.“

Das belegen die Stills und Filmausschnitte in der Ausstellung. Die Rokoko-Krinolinen von Catherine Zeta-Jones in „Katharina die Große“, die die Macht des Zarenreichs repräsentieren. Das von Marilyn Monroe abgeschaute, plissierte Goldlamé-Abendkleid von Nina Hoss in „Das Mädchen Rosemarie“. Das federleichte, mit Spitzen verzierte Seidenkleid der von Barbara Sukowa verkörperten Mieze in „Berlin Alexanderplatz". Dessen Wirkung sollte laut Barbara Baum „einem weißen Lichtstrahl“ ähneln. Was zählt, ist das poetische Bild.

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