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Frei und doch wieder nicht: Ex-Häftling William Garnett (Forest Whitaker)

© Gregory Smith

Filmkritik: "La voie de l'ennemi": Gott hilft dir nicht

Ein Ex-Häftling trifft seine Dämonen: Im Wettbewerbsfilm „La voie de l’ennemi“ versucht Forest Whitaker alles richtig zu machen, konvertiert zum Islam, schwört allem Bösen ab. Doch so leicht ist das nicht - vor allem, wenn Harvey Keitel mitspielt.

Was für ein greller, wütender Anfang. In einer Wüste, vor dem roten Gegenlicht der sinkenden Sonne, zieht ein Mann den leblosen Körper eines anderen auf eine Anhöhe. Und schlägt ihm dann wütend, aber fast rituell mit einem Stein ins Gesicht. Einmal. Noch mal. Und noch einmal.

Dieser Anfang, man ahnt es, ist das Ende. Das Ende der Geschichte von William Garnett (Forest Whitaker), nach 18 Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Im Knast fand er zum muslimischen Glauben, nun will er – unter der strengen Aufsicht seiner Bewährungshelferin (großartig: Brenda Blethyn) – ein anderes Leben anfangen. Doch die alten Dämonen warten schon: Der Sheriff (Harvey Keitel) will ihm den Mord an seinem Deputy nicht verzeihen. Und der Gangster (Luis Guzman) will wieder Geschäfte machen.

„La voie de l’ennemi – Two Men in Town“ ist ein Remake von „Endstation Schafott“ (1973) mit Alain Delon und Jean Gabin, ein Film, der nicht gut gealtert ist. Allzu sehr wird die Klage gegen das Justizsystem darin ausbuchstabiert. Dennoch liegt die Wahl nahe: Auch Rachid Bouchareb verbindet gerne politische Themen mit Genre-Elementen. Die reizvolle Entscheidung aber, das Geschehen ins Grenzland zwischen USA und Mexiko zu verlegen, zielt in eine andere Richtung: In der Weite von New Mexico will Bouchareb offenbar das Archaische, das Allgemeinmenschliche aus dieser Geschichte herausarbeiten.

Regisseur Bouchareb zeichnet seine Figuren sehr detailliert - und verschwendet so Zeit

Bouchareb zeichnet die Figuren sorgfältig, gibt ihnen gerade genug Vorgeschichte, damit sie glaubhaft werden. Aber Sorgfalt ist zugleich das Problem. Alles in „La voie de l’ennemi“ ist akkurat hingezirkelt. Wenn man biblisch werden will, wie die Szene am Anfang suggeriert, dann braucht es natürlich Zwangsläufigkeit. Aber diese Zwangsläufigkeit darf nicht das Korsett eines Drehbuchs sein, in dem alles seinen zugewiesenen Platz hat – und behält. Sie muss Tempo aufnehmen, einen Sog entwickeln – und sie braucht auch mal einen dummen Zufall, damit überhaupt so etwas wie Tragik aufkommen kann.

Auch die Dialoge stehen allzu offensichtlich im Dienste eines reibungslosen Handlungsablaufs. Nicht ein einziges Mal wurde Williams von seiner Mutter im Knast besucht, seine Briefe hat sie nie gelesen. Aber kaum taucht er in ihrem armseligen Vorgarten auf, ist sie zur Aussprache bereit. Hier hätte Bouchareb die Zeit, die er anderswo ohne Grund verschwendet, gut verwenden können.

Den Darstellern hätte man einen besseres Drehbuch gewünscht, sie machen ihre Sache sehr gut. Forest Whitaker ragt heraus als ein Mann, der offenbar schon vor dem Knast nicht in die Welt passte und dennoch fest daran glauben will, ein ruhiges Plätzchen zu finden. Wenn er spricht oder geht, selbst wenn er lächelt, sieht es aus, als ob er noch übe; seine Wut kann er gerade so im Zaun halten, wenn er sich an seine Gebetskette klammert. Whitaker liefert das, was „La voie de l’ennemi“ leider fehlt: die leise Wucht eines Naturereignisses.

7.2., 19 Uhr (Berlinale-Palast), 8.2., 9.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 12 Uhr (Friedrichstadt-Palast) und 21 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

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