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Kultur: Fisch mit Gräte

„jazzahead!“: Erste deutsche Jazzmesse in Bremen

Es hat mit Fischen funktioniert, mit Oldtimern und Booten. Warum also nicht auch mit Jazz? So trafen sich am Wochenende Labels, Veranstalter, Organisationen und Musiker im Bremer Kongresszentrum zur ersten deutschen Jazzmesse „jazzahead!“. Marketing funktioniert schließlich immer gleich, nur was bei den Fischen die Gräten sind, ist beim Jazz der Free Jazz. Für den Kulturbetrieb übersetzt Wolfram Knauer vom Jazz-Institut Darmstadt das so: „Irgendwann hat der Jazz vergessen, sein Publikum mitzunehmen. Eine pseudo-elitäre Haltung setzte sich durch. Kunst müsse komplex und schwierig sein und bedürfe nicht des Präsentierens und Erklärens.“ Als Ergebnis macht Jazz heute drei Prozent der Plattenumsätze aus. Um so größer war nun der Aufwand, diesem Imageproblem entgegenzuwirken: Ein mit 15 000 Euro dotierter „jazzahead!-Skoda-Award“ wurde an Manfred Eicher vergeben, den Chef des Labels ECM, bei den Konzerten wurden Stars wie die portugiesische Sängerin Maria João, die John Scofield Band und der Trompeter Randy Brecker aufgeboten.

Der Zeitpunkt scheint gut gewählt: Maß sich guter europäischer Jazz bislang am amerikanischen Vorbild, sehen Kenner, darunter der britische Jazz-Journalist Stuart Nicholson, dieses Verhältnis inzwischen umgekehrt. „Jazz ist eine Sprache, bei der sich jetzt lokale Dialekte herausbilden“, erklärte der Autor des kürzlich erschienenen Buches: „Is Jazz dead (or has it moved to a new adress)?“ in Bremen. Das kreative Zentrum dieser Musik habe sich nach Europa verschoben, so seine These. Folgerichtig war das Streitgespräch mit Bill Shoemaker vom amerikanischen Downbeat-Jazzmagazin von gegenseitiger Abneigung geprägt.

Für Nicholsons These spricht der Erfolg von „Nordic Tune“ aus Skandinavien. Junge deutsche Musiker aber haben sich auf den internationalen Jazz-Festivals kaum etabliert. Aus diesem Grund versteht sich „jazzahead!“ als Sprungbrett der deutschen Szene. „German Jazz Meeting“ lautet der Name des eigens gegründeten Vereins, der das Messeprogramm organisierte. An zwei Tagen zog eine Parade aus 14 Formationen vorbei und präsentierte Festivaldirektoren, Journalisten und Agenturen das Potenzial dieser Musik. Auch für das Publikum hatte dieser Teil der Messe die größte Anziehungskraft. Hin- und hergerissen zwischen Neuer Musik, Jazztradition, HipHop und Techno begeisterten Projekte wie „Erdmann 3000“ und der „Rote Bereich“, der gefühlvolle Gesang der Jazz-Chansonette Lisa Bassenge oder das knallharte Berliner Projekt „Lychee Lassi“. Aber auch die am Hardbop orientierte Spielweise von Bands wie sublim oder die dancefloor-taugliche Performance von Turbo Pascale zeigten die Bandbreite der Szene.

Das beste Argument für Jazz ist noch immer die Musik selbst. Wenn man dann die Konzerte Richtung Messehalle verließ, vorbei an nüchternen Ständen mit Kekstellern, beschlich einen das Gefühl, dass hier überalterte Institutionen Wiederbelebung durch eine junge Szene suchten. Der Messeerfolg wird sich letztlich an Umsatzzahlen messen lassen. Die Vermittlung von Aufbruchstimmung ist gelungen. Während das „German Jazz Meeting“ alle zwei Jahre stattfinden soll, ist für 2007 eine Jazzmesse mit dem Schwerpunkt Filmmusik und einer stärkeren Ausrichtung an europäischem Jazz geplant.

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