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Kultur: Fischers Linien

B’nai B’rith Europa ehrt Monika Schoeller

Wie man B’nai B’rith korrekt ausspricht, wissen wenige Leute, dabei ist „Söhne des Bundes“, so lautet der Name übersetzt, die weltweit größte jüdische Mitgliederorganisation. Als geheime Loge haben zwölf Amerikaner den Verein zur Unterstützung jüdischer US-Immigranten 1843 gegründet. Heute geht es den rund 500 000 Mitgliedern in 60 Nationen um Humanität und Bekämpfung des Antisemitismus, um Aufklärung über das Judentum, um Stärkung jüdischer Identität. Gute, wichtige Sachen: weshalb gute oder wichtige Männer wie der Wiener Kardinal König, die Politiker Kirchschläger, Weizsäcker, Kohl und Vranitzky mit der Goldenen Verdienstmedaille des B’nai B’rith Europa ausgezeichnet wurden. Doch findet die aktuelle Verleihung des Preises bescheiden in einem Berliner Hinterhoftrakt statt, zwischen Buchregalen des S. Fischer Verlages, unter einem Thomas-Mann-Zitat: „Die Kunst ist das schönste, strengste, heiterste und frömmste Symbol alles unvernünftig menschlichen Strebens nach dem Guten, nach Wahrheit und Vollendung.“

Dass Monika Schoeller, Verlegerin in der Nachfolge des berühmten Samuel Fischer, diesen Preis erhält, begründen Reinold Simon und Ernst Ludwig Ehrlich von B’nai B’rith. Sie habe den Verlag im Sinne des Gründers weitergeführt, dabei „für jüdische Interessen und jüdisches Wesen mehr getan“ als mancher Vorgänger. Aus dem Haus der klassischen deutschen Moderne ist mit der „Schwarzen Reihe“ auch die größte Bibliothek zur NS-Forschung hervorgegangen. Nach dem Tod Samuel Fischers 1934 war der Verlag geteilt, nach dem Krieg wieder unter Fischers Tochter und Schwiegersohn zusammengeführt, 1963 durch Georg von Holtzbrinck erworben worden. Dessen Tochter Monika übernahm 1974 die Verlagsleitung. Sie hat sich für ihre Ehrung als Laudator Ralph Giordano gewünscht.

Temperamentvoll versucht Giordano Frau Schöllers „gewaltige Lebensleistung in der Nussschale“ einer Würdigung zu fassen: vom Studium der Sprachen und der Kunstgeschichte im 88. Jahr des Verlagsbestehens an die Spitze eines Hauses, das so großes Ansehen besaß. Schon der junge Thomas Mann habe davon geträumt, „ein Buch bei S. Fischer zu haben“! Giordano erwähnt seinen Familienroman „Die Bertinis“; die Idee habe er 1942, als 18-Jähriger im Hamburger Versteck, gehabt und schließlich 59-jährig erlebt, wie ein Fischer-Buch daraus wurde. Hier rühmt der Autor, als Beispiel für Text- und Autorenpflege, seinen verstorbenen Lektor Helmut Freund: „Welch ein Literaturkenner! Welche Universalbildung! Welch ein Pedant!“ Frau Schoeller habe sich 2002 aus der operativen Leitung zurückgezogen, doch ihr Geist bleibe im Unternehmen präsent.

Die Geehrte antwortet leise, „ganz erstaunt über das, was hier geschieht“. Sie habe nur getan, was sie tun wollte, „was vom Verlag schon vorgezeichnet war“. Als Zehnjährige war sie 1943 mit der Mutter und Geschwistern auf die Schwäbische Alb geflohen und habe da – andere Konfession, andere Mundart, ohne Haus und Hof – die Erfahrung gemacht, „am Rande zu sein“. Das sei ihr im Literaturbetrieb bewusst geblieben: Vom Rand aus „sieht und versteht man besser“. Sie dankt den prägenden Mitarbeitern, jenen, die „das Bild des Verlages in sich trugen und die das Unfassliche, die Zerstörung unserer Kultur, bis heute nicht verstanden haben, sich dem aber immer wieder stellen.“ Wir haben einiges zu tun, um an diesen Leitlinien zu bleiben, sagt die Verlegerin.

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