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Kultur: Fiskus im Luxus: Von der Finanzbehörde zum Luxushotel

Seit 1936 residiert die Oberfinanzdirektion (OFD) nobel am oberen Kurfürstendamm. Immer einmal wieder wird der Versuch unternommen, die Behörde auszuquartieren und das Gebäude so zu nutzen, wie es erbaut wurde - und im Inneren auch noch überraschend umfangreich erhalten ist: als Luxushotel.

Seit 1936 residiert die Oberfinanzdirektion (OFD) nobel am oberen Kurfürstendamm. Immer einmal wieder wird der Versuch unternommen, die Behörde auszuquartieren und das Gebäude so zu nutzen, wie es erbaut wurde - und im Inneren auch noch überraschend umfangreich erhalten ist: als Luxushotel.

Am Kurfürstendamm 193/194 wurde der neue Typus eines "weltstädtischen Wohn- und Gasthauses vornehmsten Stils" ins Leben gerufen. Unter der beredten Bezeichnung "Boarding-Palast" sollte mit dem neuen Hotelbetrieb nach angelsächsischem Vorbild 1912 eine "wahrhaft geniale Vereinigung des gesamten raffinierten und luxuriösen Komforts" entstehen: das erste Luxushotel im neuen Westen Berlins.

Doch es kam anders, als es die aufwendig gestaltete Werbebroschüre verkündete. Statt zahlende Gäste zu empfangen, wurde das Mobiliar des Luxushotels noch vor der Eröffnung versteigert. Der Besitzer hatte sich mit dem Projekt übernommen. Erst nach anderthalb Jahren startete 1914 eine Dresdner Hotelgesellschaft einen zweiten Versuch. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges erzielte auch sie keinen wirtschaftlichen Erfolg. Immerhin verdankt das Haus am Kurfürstendamm diesem zweiten Versuch jenen Namen, der ihm zu stiller Prominenz verhalf: Haus Cumberland.

Entworfen wurde das stattliche fünfgeschossige Gebäude von Robert Leibnitz, jenem Architekten, der nur wenige Jahre zuvor mit dem "Adlon" am Pariser Platz an einer Hotel-Erfolgsgeschichte mitgeschrieben hatte. Die Dimensionen des Boarding-Palastes waren gewaltig. Um drei luftige Höfe mit gärtnerischer Gestaltung gruppiert, erstreckt sich das Haus noch heute bis zur Lietzenburger Straße. Die geplante elegante Ladenpassage, die beide Straßen verbinden sollte, versagte wirtschaftlich gleichermaßen. Den verwöhnten Gästen aus aller Welt wollte der Boarding-Palast in der Reichshauptstadt einen "intimen" Aufenthalt ermöglichen. Dafür standen unterschiedlich groß bemessene Wohneinheiten zur Verfügung. Sie reichten von der eleganten 3-Zimmerwohnung bis zum Einzelzimmer ohne Bad. Auch 24 Zimmer für die Dienerschaft standen zur Verfügung; sie schlugen einschließlich voller Verpflegung mit acht Reichsmark zu Buche.

Der exklusiv ausgestattete Erdgeschossbereich des Hauses Cumberland war dem eigentlichen Hotelbetrieb vorbehalten. Am Kurfürstendamm lockte das "Café Kugler" mit seiner Straßenterrasse Gäste an. Daneben verfügte das Hotel an der Lietzenburger Straße auch über einen großen Festsaal und daneben über Speisesaal, Kaminzimmer und eigene Badeanstalt.

Doch der Traum vom Luxushotel erfüllte sich für das Haus Cumberland auch später nicht. So gehört es zu den Merkwürdigkeiten des Gebäudes, dass es in seiner 90-jährigen Geschichte zwar nur wenige Monate als Hotel diente, heute aber das einzige nahezu vollständig erhaltene Grandhotel Berlins aus der Zeit der Jahrhundertwende darstellt. Während im einstigen "Hotel Esplanade" am Potsdamer Platz Geschichtsfragmente zusammengestückelt werden, hat das Haus Cumberland seine Grandezza bewahrt.

Schon die aufwendige, säulengeschmückte Empfangshalle und das elegante Treppenhaus auf ovalem Grundriss überraschen mit hervorragendem Erhaltungszustand. Mit sanftem Schwung umrunden die flachen Stufen des Haupttreppenhauses den mit dunklem Holz vertäfelten Fahrstuhlschacht und fordern den Benutzer zu gemessenem Schreiten statt zu hektischem Hasten. In den Fluren sind die hölzernen Türgewände ebenso erhalten wie die zahlreichen Bleiverglasungen an den Fenstern zu den kleinen Lichthöfen. Wo heute das Materiallager der OFD untergebracht ist, befand sich einst der Speisesaal. Hier haben sich neben dem Deckengemälde im Stil des Neorokoko auch große Bereiche der Wandverkleidungen mit Pilastern und Kapitellen erhalten. Unter nachträglich eingezogenen Decken dürfte zudem noch mancher Befund der ursprünglichen Dekoration zu Tage treten. Im ehemaligen "Café Kugler" - heute Bibliothek - erinnert die umlaufende Empore an die alte Nutzung. Der Stuck an den Decken ist dagegen nur noch fragmentarisch zu sehen. Ganz anders in den zahlreichen Diensträumen, die nicht nur im Grundriss fast alle vollständig erhalten sind, sondern neben den stuckierten Decken auch noch weitgehend über Einbauschränke samt Waschbecken verfügen. Der große Festsaal an der Lietzenburger Straße - heute ebenfalls Lagerraum - zeigt noch die lindgrüne Wandverkleidung des zwischenzeitlichen Kinos der fünfziger Jahre. Hinter den vorgesetzten, wellenförmigen Wänden dürften ebenfalls noch große Teile der ursprünglichen Dekoration versteckt sein.

Wie zuletzt Ende der achtziger Jahre stehen derzeit wieder die Investoren Schlange und wittern die Chance, um mit dem Haus Cumberland endlich ein Luxushotel am oberen Kurfürstendamm einzurichten. Bei der anstehenden Rückführung des Hauses in seine ursprüngliche Hotelnutzung gilt es, dieses, durch den respektvollen Umgang der OFD erhaltene und für Berlin einzigartige bauliche Erbe mit äußerster Behutsamkeit zu bewahren.

Jürgen Tietz

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