zum Hauptinhalt

Kultur: Fitze Fitze Fatze

Helge Schneider beglückt im Admiralspalast

Man müsste sich wohl alle 14 Konzerte anschauen, die Helge Schneider bis Ostern im Admiralspalast gibt, um ihm auf die Schliche zu kommen: Wie viel von diesem abstrusen Gefasel, von diesen albernen Tanzeinlagen, von diesem haarsträubenden, aber hochmusikalischen Geklimper und Getröte auf Klavier, Blockflöte, Vibrafon, Trompete, Gitarren, Elektroorgel oder Maffayfon (ein sehr kleines Saxofon, in Anspielung auf die Körpergröße des Deutschrockers) ist spontane Erfindung, wie viel ist Routine? Kann man jeden Abend aufs Neue so viele skurrile Einfälle haben wie der 54-jährige Mülheimer während der knapp zweieinhalbstündigen Show mit dem Titel „Komm, hier haste ne Mark“? Sind die mal punktgenauen, mal meilenweit misslungenen (und darin fast noch komischeren) Nachäffungen bekannter Kollegen wie Grönemeyer oder Lindenberg, sind all die situationsgrotesken Wortspiele oder ins Pointenlose führenden Schwafeleien einstudiert oder improvisiert?

Selbstredend greift Schneider auf ein Gerüst von Songs zurück, die noch im Zustand größter Zerrüttung erkennbar bleiben. In denen klingt er wie ein Balkan-Schlagersänger („100 000 Rosen schick ich dir“) oder eine knödelnde Bill-Ramsey-Kopie („Fitze Fitze Fatze“). Bei all dem Geblödel kann er sich nicht nur auf die Unterstützung seines teekochenden Faktotums Bodo Oesterling und des unverwüstlichen Sergej Gleitmann verlassen, der seinen Gummikörper als Rakete zur Verfügung stellt. Sondern vor allem auf seine Band, die ihm lauernd durch die Songs folgt: drei gestandene Jazz-Veteranen mit dem Schlagzeug-Haudegen Pete York als Herzmaschine, dazu der jüngere Sandro Giampedro an der Django-Reinhardt-Gedächtnisgitarre.

Bei den verhältnismäßig ernsthaft interpretierten Standards wie „Mood Indigo“ oder „Puttin‘ on the Ritz“ bekommen die vier nicht nur reichlich Zeit für Soli, auch Schneider lässt den begnadeten Jazzer durchblicken, der er hinter all den Masken ist: ein Pianist, der Thelonious-Monk-Akkordprogressionen ebenso beherrscht wie Ragtime-Geklimper. Sein ureigener Bereich sind indes die Grenzbereiche. Wenn er ein Affenhandpuppen-Trompetensolo bläst, als Westentaschen-Paco- De-Lucia auf der Gitarre rumhackt oder den Hörspielduktus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks karikiert, passt zwischen Kunst und Komik nichts mehr.

„Ich muss so vieles können“, jammert der Schlawiner in „Es gibt Reis, Baby“, als er die eben Verführte zum Putzen scheucht. Vermutlich hätten seine Fans auch Spaß, wenn er nur den Bühnenboden wischen würde. Da Helge Schneider aber das Publikum mit dem ganzen Spektrum seiner Talente beglückt, ist der Jubel am Ende umso lauter. Jörg Wunder

Weitere Vorstellungen bis Sonntag, 4. April (außer am Montag, 22. März).

Jörg W, er

Zur Startseite