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Wayne Coyne, Sänger der Flaming Lips.

© Eventpress Hoensch

Flaming Lips im Huxleys: Und Wayne ging zum Regenbogen

Systematische Reizüberflutung: Die Flaming Lips gaben ein spektakuläres Konzert im Huxleys. Ein Feuerwerk der Liebe, ganz ohne politische Kommentare.

Von Jörg Wunder

Konfettikanonen, von der Hallendecke herabregnende Luftschlangen, Dutzende sitzballgroße Luftballons, die über die Köpfe des Publikums titschen, lasergrelle Leuchtstrahler – der Beginn des Konzerts der Flaming Lips im Huxleys stimuliert durch systematische Reizüberflutung massive Endorphinausschüttungen. Es fühlt sich ungefähr so an, als wenn man gleichzeitig die Siegerehrung im Champions-League-Finale, den geglückten Start der ersten Mondrakete und einen Sechser im Lotto erleben würde.

Das zu diesem Spektakel mit adäquatem melodischem Überschwang durchstartende „Race For The Prize“ gehört zu den bekanntesten Songs der Band aus Oklahoma City, die trotz eines in genialische Sphären reichenden Talents in über 30 Jahren nie einen richtigen Hit hatte. Warum das so ist, erklärt sich angesichts ihres Sängers und Zeremonienmeisters Wayne Coyne von selbst. Der 56-Jährige ist viel zu sehr einem hippiesken Lebensmodell verpflichtet, um sich einer zielorientierten Karriereplanung zu widmen.

Auf der Bühne begeistert der Charismatiker als wunderbarer Wirrkopf mit Hang zu flamboyanten Verkleidungen, der sich für keinen Schabernack zu schade ist. Er macht zu „Yoshimi Battles The Pink Robots, Pt. 1“ kecke Synchronschritte mit einem Tänzer im prallgelben Sonnenkostüm, lässt sich bei „There Should Be Unicorns“ auf einem lebensgroßen Plastikeinhorn durch die glucksende Menge führen, intoniert in „The Observer“ ein aufreizend unvirtuoses Gitarrensolo unter einem aufblasbaren Regenbogen und kullert zum tollen Cover von David Bowies „Space Oddity“ in einer transparenten Gummikugel über die Zuschauer.

Trockeneisnebel und Stroboskopgewitter

Bei all dem durchgeknallten Budenzauber verrichten die sechs übrigen Bandmitglieder, darunter Mitbegründer Michael Ivins am Bass, bemerkenswert ungerührt ihren Job. Sie zerfurchen Coynes karamellsüßen, oft durch Klangfilter gejagten Gesang mit schroffen Gitarrenriffs, Synthie-Nebelhörnern und dem Gekloppe zweier Drummer. Der Einzige, der neben dem eloquenten Frontmann auch mal das Wort ans Publikum richtet, ist der zwischen Gitarre, Keyboard und Schlagzeug wechselnde Multiinstrumentalist Stephen Drozd, der mit auch schon über 25 Jahren Bandzugehörigkeit zu den Lips-Veteranen gehört. Er widmet das krautige Progrock-Epos „Pompeii Am Götterdämmerung“ dem jüngst verstorbenen Can-Drummer Jaki Liebezeit. Mit „How??“ und „The Castle“ vom aktuellen Album „Oczy Mlody“ lassen die Flaming Lips ein neues Interesse für zeitgenössische Electronica erkennen. Die zu Trockeneisnebelschwaden und Stroboskopgewittern hypnotisch bullernden Stücke würden auch zu den dionysischen Tanzritualen der Berliner Clublandschaft passen.

Eine Ode an das Leben

Vor der Zugabe erklärt Coyne die Lips- Fans zum besten Publikum ever, und dass er natürlich wisse, dass alle Bands das bei ihren Konzerten behaupten würden. Nur sei es bei ihnen eben wirklich wahr. Seine Begründung: Nirgendwo sonst könnte man so viele lachende, strahlende Gesichter sehen wie bei einem Konzert der Flaming Lips. Eine steile These, die aber angesichts all der bis zu den Ohren hochgezogenen Mundwinkel nicht zu gewagt wirkt. Zum Finale hauen sie noch „Do You Realize??“ raus, jenen famosen Song, der zur offiziellen Rock-Hymne des Bundesstaats Oklahoma gekürt wurde: eine Ode an das Leben, eine Aufforderung, das Glück zu wagen, solange es noch geht. Was wohl nie wichtiger war als in Zeiten wie diesen – deren beunruhigende politische Entwicklungen wohltuenderweise mit keiner Silbe erwähnt werden.

„Alter, det war ’n Feuerwerk der Liebe“, berlinert ein Besucher zum Ausgang strebend seinem Kumpel zu. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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