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Kultur: Fleischlust

Forum (3): Shin Janes Debüt „Shin Sung-il is Lost“

Ein Hühnerflügel, der sich im Mund in Blut und Federn verwandelt. Ein gefiederter Engel. Ein karger Ort mit einer Schaukel im Hof und Lautsprechern, aus denen christliche Hymnen kommen. Dann schauen die Kinder nach oben, das Schwarzweiß wird farbig und die Kamera fährt an einer Bildergalerie entlang, wo Christus als Schäfer wacht. Im Waisenhaus ist es eine Ersatzmutter, die für das Wohl der versessenen Kinder sorgt. Und für die Moral: Den traditionellen Platz der Unzucht im katholischen Sündenregister hat dabei eine andere fleischliche Lust eingenommen, die Völlerei. Essen ist verpönt, also wird heimlich gestopft und über Essen geredet. Wer „dabei“ ertappt wird, muss zur Strafe rituell schauessen, dann wird gekotzt. Es braucht Geduld, bis sich das scheinbar bizarre Debütstück von Shin Jane in der eigenen Imagination entwickelt. Dann aber wird man belohnt – mit der Entführung in eine ebenso scharfe wie anrührende Kinoerfindung, die sich in vielen Facetten öffnet. Es ist eine eigenartige, eindringliche Welt mit verzweifeltem Humor und nie gesehenen Bildmetaphern. Wurde ein neues koreanisches Kinowunder geboren? Vielleicht. S.H.

Heute, 12.30 Uhr (Arsenal); morgen, 17 Uhr (Babylon)

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