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Kultur: Fliege hoch, du redseliger Adler

KLASSIK

Mit dem Slogan „Händel in Berlin“ warb das Händel Festspielorchester aus der Heimatstadt des großen Hallensers für sein Berliner Gastspiel – dabei bot man im Kammermusiksaal der Philharmonie ausgerechnet ein Weihnachtsoratorium seines Rivalen Nicola Porpora . Die Spannung war groß: Was an der Musik dieses vergessenen Meisters konnte einem Händel gefährlich werden? Wie würde sich das Ensemble vom Opernhaus Halle mit ihren historischen Instrumenten in der Berliner Szene bewähren? Und wie machte man 1748 aus der Fleischwerdung des göttlichen Wortes ein packendes musikalisches Drama? Unter Marcus Creed zeigten die Hallenser mit klarem rhetorischen Ausdruck und festem, aber belebten Strich, dass die Stadt auch heute überzeugende musikalische Botschafter hat. Nur dort, wo Porpora die Allegorie des Adlers, der die Sonne berührt, mit einem wahnwitzigen Violinsolo spickte, wurde ein wenig nervös mit den Flügeln geflattert. Die „hauseigenen“ Solisten Romelia Lichtenstein und Axel Köhler sangen sich mit gewohnter Souveränität durch ihre heiklen Partien, während der Tenor Markus Brutscher durch besonders mitreißende Deklamation und weich angeflogene Höhen den Vogel abschoss.

Trotz angenehmer Melodik und einer Masse an deftigen orchesterbegleiteten Rezitativen hätte die Aufführung wohl noch tiefer berühren können. Man sollte das nicht voreilig Porpora anlasten: Es gibt für seinen galanten Stil noch keine interpretatorische Routine. Und die barocke Lust, die Welt anhand bunter, aber verrätselter Embleme sowie redseliger allegorischer Figuren zu entdecken, will erst einmal geweckt sein. Dafür gehört jedem Zuhörer und jedem Musiker ein kommentiertes, gut übersetztes Textbuch in die Hand gedrückt. Doch auch so: kräftiger Applaus.

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