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Kultur: Flimmernde Versprechen

Das schönste am Kino ist neben Popcorn und einem kühlen Bierchen das, was vor dem Film kommt: die Werbung.Wie wenig das Genre Werbefilm bislang erforscht war, bemerkte vor einigen Jahren der Berliner Filmhistoriker Günter Agde.

Das schönste am Kino ist neben Popcorn und einem kühlen Bierchen das, was vor dem Film kommt: die Werbung.Wie wenig das Genre Werbefilm bislang erforscht war, bemerkte vor einigen Jahren der Berliner Filmhistoriker Günter Agde.Er stürzte sich in intensive Recherchen zu den bunten Werbebildern und wurde so zu einem Kenner deutscher Werbefilmgeschichte.Seit kurzem liegt das Ergebnis in Form eines umfangreichen Bandes mit vielen Abbildungen vor: "Flimmernde Versprechen.Geschichte des deutschen Werbefilms" (erschienen im Verlag Das Neue Berlin, 176 Seiten, 49 Mark 80).

Die Initialzündung, sich mit Werbefilmen zu beschäftigen, löste erstaunlicherweise ein Besuch "aus persönlichen Gründen" im KZ Sachsenhausen aus.Dort war Agde im Schälkeller des Lagers auf Fresken gestoßen, die groteskerweise fröhliche, zeichentrickfilmartige Kartoffelmännchen beim Sprung in einen Badezuber zeigten.Diese stammten vermutlich von dem Berliner Zeichentrickfilmzeichner Hans Fischerkoesen.Dieser war nach dem Krieg in dem sowjetischen Nachfolgelager interniert worden und überlebte die Gefangenschaft.Er gilt als eine der bedeutendsten Figuren in der deutschen Werbefilmgeschichte.Er erfand unter anderem das Maskottchen des Hessischen Rundfunks, Onkel Otto.Diese unerwartete Begegnung mit Fischerkoesens Bildern beeindruckte Agde so sehr, "daß ich gleich losgegangen bin, um darüber zu recherchieren", wie er heute im Rückblick erzählt.

Entstanden ist ein großartiges Buch, das neben einem chronologischen Abriß auch Sonderkapitel zur NS-Zeit (es gab so gut wie keine Hakenkreuze in den Werbefilmen!) und des geteilten Deutschland bietet.Daß schon 1897, erst ein Jahr nachdem die Bilder laufen gelernt hatten, erste Werbefilme wie für eine Heim-Wellenbadschaukel und Dr.Oetkers Backpulver entstanden, ist nur einer der beachtlichen Funde des heute 60jährigen Agde.In den 20er Jahren experimentierten Berliner Filmer durch Scherenschnitt-Technik und Zeichentrick geradezu avantgardistisch herum, hebt der Filmhistoriker hervor."In dem jungen Medium konnte man sich solche Verrücktheiten noch leisten.Und diese Unsinns-Dialoge - einfach zauberhaft", sagt er.In den späten 50er Jahren jedoch verlor der Werbefilm mit Aufkommen des Werbefernsehens an Bedeutung.Und heute? "Im internationalen Vergleich sieht Deutschland ziemlich alt aus", kommentiert der Filmhistoriker die jüngsten Entwicklungen.

Morgen um 20 Uhr stellt Günter Agde sein Buch im Hauptgebäude der Hochschule der Künste, R.301, Hardenbergstraße, vor und zeigt dazu historische Werbefilme.Eintritt frei.

KATJA WINCKLER

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