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Am Set. Florian Henckel von Donnersmarck (l.) mit Lars Eidinger bei den Dreharbeiten. Eidinger spielt einen Museumsführer, der die Besucher durch die NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ führt.

© Buena Vista International/ Nadja Klie

Florian Henckel von Donnersmarck: Der deutsche Sonnenkönig und sein Oscar-Beitrag

Florian Henckel von Donnersmarcks "Werk ohne Autor" könnte am Sonntag einen Oscar gewinnen. Doch die Künstlerbiografie bedient ein problematisches Verständnis von Geschichtskino.

Von Andreas Busche

In einer Januar-Ausgabe des „New Yorker“ posierte Florian Henckel von Donnersmarck kürzlich wie ein Sonnenkönig, inklusive Schoßhündchen. Adel verpflichtet, der 2,05 Meter große Hüne weiß sich zu inszenieren. Seine Mutter höre auf den Titel „Gräfin“, erzählte er der amerikanischen Journalistin, aber sie würde ihr vermutlich gestatten, sie „Anna-Maria“ zu nennen: „Meine Mutter betrachtet alle Frauen als ihre Schwestern.“

Bodenständig sind sie, die Henckel von Donnersmarcks, gleichzeitig schmücken sie sich gern mit einer Aura von Nobilität und kultureller Überlegenheit. Als er nach dem phänomenalen Oscar-Erfolg von „Das Leben der Anderen“ 2007 mit seiner Familie nach Los Angeles übersiedelte, wandelte er auf den Spuren deutscher Geistesgrößen wie Lion Feuchtwanger und Thomas Mann. Durch Beverly Hills fuhr er einem weißen Rolls-Royce. Jeder andere Untersatz wäre für ihn eine Nummer zu klein gewesen.

Auch unter der Sonne Kaliforniens wirft Henckel von Donnermarck einen mächtigen Schatten – nicht zuletzt auf das deutsche Kino. Die derzeitige Stippvisite in Los Angeles bedeutet für ihn eine triumphale Rückkehr. Am Sonntag werden im Dolby Theatre zum 91. Mal die Oscars verliehen, seine Künstlerbiografie „Werk ohne Autor“ gehört zu den fünf Nominierten in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“, neben Alfonso Cuaróns Löwen-Gewinner „Roma“, dem Europäischen Filmpreisträger „Cold War“ von Pawel Pawlikowski und Hirokazu Kore-edas „Shoplifters“, der in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde. Sein Kameramann Caleb Deschanel ist für einen weiteren Oscar nominiert.

Bayrischer Filmpreis statt Goldenem Löwen

„Werk ohne Autor“ hat außer dem Bayrischen Filmpreis und einem „Bambi“ für Darsteller Sebastian Koch noch keine bedeutende Auszeichnung gewonnen. Aber bei seiner Weltpremiere in Venedig wurde der Film im September mit stehenden Ovationen bedacht. Die deutsche Kritik zeigte sich hingegen irritiert von dem dreistündigen Familienepos zwischen NS-Zeit, DDR und junger Bundesrepublik: zu rückständig das Frauenbild, ein kitschiger Wahrheitsbegriff, die Gleichsetzung von Holocaust und dem Bombenkrieg der Alliierten, die Nähe von „Entarteter Kunst“ und deutscher Nachkriegsmoderne, dazu eine behäbige Dramaturgie. Und dann die berüchtigte Szene in der Gaskammer, in der sich die nackten Frauen verzweifelt aneinanderklammern. Die mäkeligen Reaktionen hierzulande kannte Henckel von Donnersmarck bereits von „Das Leben der Anderen“.

Die US-amerikanische Kritik ist „Werk ohne Autor“ gewogener. Das Branchenblatt „Variety“ lobt die Authentizität der Inszenierung, die „New York Times“ konstatiert, der Film „brummt vor Ambition, die gleichermaßen erschöpfend und berauschend ist“. In Amerika genießt routiniertes, deutsches Geschichtskino hohes Ansehen, auch ein wenig kommerzieller Film wie Christian Petzolds DDR-Drama „Barbara“ fand dort ein Publikum.

Hierzulande berühren Stasi- und NS-Geschichten echte Biografien

Die unterschiedlichen Sensibilitäten sind nachvollziehbar, hierzulande berühren Stasi- und NS-Geschichten noch ganz unmittelbar die Biografien realer Menschen. Henckel von Donnersmarck aber erzählt lieber von Archetypen im Sturm deutscher Geschichte. Wie die Lebensgeschichte des Malers Gerhard Richter, auf der „Werk ohne Autor“ sehr frei, aber unverhohlen basiert. Auch dem Künstler wurde der pompöse Charme des Regisseurs irgendwann unheimlich. Im „New Yorker“ distanzierte er sich entschieden von dem Film, obwohl die beiden viele Gespräche geführt haben sollen.

Florian Henckel von Donnersmarcks Oscar-Mission ist äußerst undankbar. Auf seiner Pressekampagne in Los Angeles muss er diese Woche mit einem Film antreten, von dem Richter als sein angeblicher Vertrauter inzwischen nichts mehr wissen will und der auch vom deutschen Publikum nur lauwarm aufgenommen wurde. 240 000 Menschen haben „Werk ohne Autor“ seit dem Kinostart am symbolischen 3. Oktober gesehen. Andreas Dresens „Gundermann“ – nebenbei der weit bessere deutsche Geschichtsfilm – hatte mehr Zuschauer, auch Emily Atefs Romy-Schneider-Biopic „3 Tage in Quiberon“ performte ähnlich stark. „Das Leben der Anderen“ lockte 2006 noch 1,7 Millionen Menschen in die Kinos.

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Es beschleicht einen das Gefühl, dass ein Teil der Filmbranche sich mit „Werk ohne Autor“ vor allem selbst feiert. Beziehungsweise die Vorstellung von dem, was Hollywood am deutschen Film schätzt. Schon der Zeitpunkt der Nominierung als deutscher Oscar-Kandidat war ungeschickt gewählt: wenige Tage vor der Weltpremiere in Venedig, als die Kritik sich noch kein Urteil erlauben durfte. Der Rest ging im Jubel unter. 13 Minuten soll das Publikum applaudiert haben, ein Triumph mit Ansage. Und die deutsche Filmkritik stand als Spielverderber da.

Der Regisseur gibt sich als schlechter Gewinner

Als schlechter Gewinner erwies sich hingegen der Regisseur, der darauf im „Stern“ forderte, dass sich nun, wo er „unser“ Mann in Hollywood sei, alle deutschen Kinofans geschlossen hinter ihn stellen sollten. Der Gedanke, dass sich Sonntagnacht Kinofans schwarz-rot-gold beflaggt vorm Fernseher versammeln und dem Goldjungen zujubeln, ist mindestens so absurd wie der Satz „Wir sind Papst“. Das Kino ist keine Fußball-WM, auch wenn Henckel von Donnersmarcks Nationalpathos etwas anderes suggeriert. Der Hochwohlgeborene beschenkt die Massen mit geschichtsträchtigem Unterhaltungskino, das die Volksseele heilt. „Ich habe mich immer für die Psychoanalyse interessiert“, erzählte er dem „New Yorker“.

Gutes Kino, das sagt auch die polnische Regisseurin Agnieszka Holland in ihrer Funktion als Vorsitzende der Europäischen Filmakademie, setzt sich jedoch über nationale Konzepte hinweg. Florian Henckel von Donnersmarck ist gewiss kein Nationalist. Dennoch neigt er zu einer moderne-feindlichen Weltanschauung, wenn er über Kunst spricht – auch über diejenige, die an der Kunstakademie Düsseldorf im Umfeld von Joseph Beuys und Gerhard Richter entstanden ist.

Die deutsche Geschichte als Selbstbedienungsladen

Die Ursachen der Verstimmung reichen wohl tiefer. Es verletzt Henckel von Donnersmarcks Ego zutiefst, dass „Werk ohne Autor“ nicht dieselben Sympathien entgegengebracht werden wie Maren Ade mit „Toni Erdmann“, dem in der Oscar-Nacht tatsächlich viele die Daumen drückten. Der Unterschied besteht aber darin, dass „Toni Erdmann“ mit einer ungeahnten Leichtigkeit die unterschiedlichen Tonalitäten der Komödie (unabhängig von ihrer Nationalität) vorführt. Während sich „Werk ohne Autor“ mit einer Form von altmodischem Erzählkino zufrieden gibt, das man in Hollywood zudem viel souveräner beherrscht. Man könnte gar vermuten: Die Oscar-Academy erweist dem großspurigen Adepten mit der Nominierung ihre Reverenz.

Henckel von Donnersmarck bei der Wahl seiner Stoffe Kalkül zu unterstellen, greift jedoch zu kurz. Mentalitätsgeschichten wie „Werk ohne Autor“, die komplexe historische und gesellschaftliche Erzählbogen verdichten, trafen schon immer einen Nerv beim Bildungsbürgertum. Gleichzeitig äußert sich ein wachsendes Unbehagen gegenüber solchen Dramaturgien des kleinsten gemeinsamen Nenners, wie die Kontroversen um Tarkis Würgers Roman „Stella“ oder Robert Menasses erfundene Europa-Reden jüngst gezeigt haben. Dass die deutsche Geschichte gerne mal als Selbstbedienungsladen betrachtet wird, ist nicht zuletzt ja Filmen wie „Das Leben der Anderen“ oder „Der Untergang“ zu verdanken.

Wer am Sonntag dann doch das Fähnchen schwenken will, hat übrigens noch eine Alternative. Als bester Dokumentarfilm ist die deutsche Koproduktion „Kinder des Kalifats“ über einen jungen Syrer nominiert, der zwei Jahre mit einer radikal-islamistischen Familie lebte. Grenzenloses Kino.

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