zum Hauptinhalt
Einer gegen alle? Florian Pronold (SPD) wehrt sich heftig gegen seine Kritiker.

© dpa

Streit um Berliner Bauakademie eskaliert: Florian Pronold wehrt sich mit Unterlassungsklagen

Pronolds Ernennung zum Stiftungs-Direktor sorgt für massiven Protest. Der SPD-Politiker reagiert mit Unterlassungsklagen und anderen juristischen Mitteln.

Als bekannt wurde, wen die Findungskommission bei der Besetzung des Direktorenpostens der Stiftung Bauakademie erwählt hatte, brach in der Fachwelt ein Sturm der Entrüstung los.

Den Offenen Brief gegen die Berufung des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Florian Pronold (SPD) haben bis heute 621 Architekten, Planer, Bauhistoriker, Publizisten, Kuratoren, Museumsdirektoren und Architekturfreunde unterschrieben.

Um den Hauptvorwurf wird jetzt heftig gestritten: Der gelernte Kaufmann, Rechtsanwalt und heutige Berufspolitiker habe weder ein einschlägiges Studium absolviert, noch sei er eine in der Welt des Bauens angesehene Führungspersönlichkeit, noch habe er Erfahrung im Veranstaltungs-, Kommunikations- und Ausstellungswesen.

Einer von zwei Mitbewerbern, die gegen das Verfahren Klage eingereicht hatten, hat vor dem Arbeitsgericht vorläufig recht bekommen.

Die Besetzung ruht bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Inzwischen überzieht Pronold Journalisten mit Unterlassungsklagen.

Im Aufbau. Die Musterecke der Schinkelschen Bauakademie.
Im Aufbau. Die Musterecke der Schinkelschen Bauakademie.

© Paul Zinken/dpa

Da geht es zum Teil um absurde Spitzfindigkeiten. Weil der Offene Brief nachträglich verändert worden sei, hätten alle 621 Unterzeichner nochmals konsultiert werden müssen. Diese seien „hinters Licht geführt worden“.

Dem Buchstaben nach stimmt das, doch die Veränderung bezog sich auf eine nachträgliche Quellenangabe der Ausschreibung. Auch andere Spiegelfechtereien, zum Beispiel um die Verlinkung des Offenen Briefs, gehen an der Sache vorbei.

Bekäme er in allem recht, was würde es helfen? Pronold ist Jurist und kann offenbar aus seiner Haut nicht heraus.

Viereinhalb Jahre als Parlamentarischer Staatssekretär neben dem als beamteter Staatssekretär gleichfalls für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zuständigen Gunther Adler, das ist zu wenig fachliche Qualifikation. Denn die Aufgaben der Bauakademie gehen weit über das bundesbehördlich zu regelnde Bauwesen – das ansonsten Ländersache ist – hinaus.

Er sieht sich als erfahrenen Kommunikator

Architekturtheorie, Denkmalpflege, innovative Konstruktionsweisen und Materialien, Bauen als Umweltzerstörung, neue Organisationsweisen des Stadtlebens hierzulande, aber auch in den Megastädten in Übersee, Digitalisierung des Bauens und Wohnens, sind einige der Themenfelder, mit denen sich Architekten und Hochschulen, Praktiker und Forscher beschäftigen und für die in der Bauakademie ein Forum entstehen soll.

Pronold selbst sieht sich als erfahrenen Organisator und Kommunikator, der die Protagonisten alle zusammenbringt.

Aber es geht zunächst nicht darum, allen Interessengruppen, die den Finger heben, Türen zu öffnen und ein Spielzimmer zu organisieren, sondern darum, selbst Zukunftsthemen zu erspüren, programmatische Ausstellungen und Veranstaltungen zu initiieren und ein Profil zu gewinnen.

Pronolds programmatische Äußerungen sind bislang nichts als unverbindliche Paraphrasen des Ausschreibungstextes.

Pronold argumentiert an der Sache vorbei

Die Stiftung erwägt nun, Pronold kommissarisch ins Amt zu setzen. Sie könnte mit langem Atem die Rechtsstreitigkeiten in Ruhe aussitzen wollen, fürchten die Kritiker. Der Offene Brief fordert, „das bisherige Ergebnis zu annullieren und das Bewerbungsverfahren noch einmal aufzurollen mit einer neuen, fachlich kompetenteren Findungskommission und ein transparenteres Besetzungsverfahren zu garantieren, wie es sich für diese herausragende Stelle und für die bisherige gute Reputation des Bauministeriums gehört.“ Dem kann man sich nur anschließen.

Dass Pronold sich zur Wehr setzt, ist allerdings sein gutes Recht. Aber wie er das tut, zeigt neuerlich, dass er für die Akademieleitung nicht der richtige Mann sein kann.

Er behandelt den Offenen Brief wie einen juristischen Schriftsatz und sucht ihn an einzelnen, angreifbaren Stellen und Formulierungen zu zerpflücken, ohne auf das eigentliche Anliegen einzugehen.

Es werde mit „falschen Tatsachenbehauptungen“ argumentiert, unvollständig zitiert, getäuscht, skandalisiert, fährt er schwere Geschütze auf.

Bauakademie als Ort der Architektur

Ein Beispiel aus seiner Erwiderung: „In der Ausschreibung heißt es: ,Die Bauakademie versteht sich als Begegnungs- und Kommunikationsplattform für das Bauen. Sie wird allen Bereichen des Bauwesens von der Architektur und Ingenieurbaukunst über Urbanistik bis hin zur Bauwirtschaft, in Handwerk und Industrie Raum bieten’. Im Offenen Brief heißt es hingegen, dass die Bauakademie ein ,Architekturzentrum als lebendiger Ort der Architekturdebatte, der Baukultur’ wäre.“

Er beharrt darauf, die Bauakademie sei kein Architekturzentrum. Interessanterweise führt er als Beleg, dass die Juristerei und somit sein eigenes Profil für die Themen der Bauakademie relevant sei, eine Institution ins Feld, die vor Kurzem einen Themenschwerpunkt „Form folgt Paragraf“ behandelt habe. Die Institution heißt Architekturzentrum Wien.

„Diplomatisches Geschick, Erfahrung in der Arbeit mit politischen Gremien und Interessensgruppen runden Ihr Profil ab.“ Diese Ausschreibungsbedingung erfülle Florian Pronold unzweifelhaft, schreibt er über sich selbst.

Und weiter: „Trotzdem erheben die Verfasser des Briefes eine weitere falsche Tatsachenbehauptung“, nämlich dass Florian Pronold „keine einzige der geforderten fachlichen Kompetenzen“ aufweist. Politik und Diplomatie sind jedoch keine einschlägigen „fachlichen Kompetenzen“.

Hat er sich den Posten selbst geschaffen?

Die Fragen bleiben: Wie kann er sich pro domo bewerben, als einer, der das Projekt mit auf die Schiene gesetzt hat?

Als einziger Politiker unter Fachleuten, wo ihn doch jedes einzelne der Mitglieder der Findungskommission nicht nur beiläufig, sondern sehr gut persönlich kennt?

Ralf Poss, Leiter der Unterabteilung Bundesbauten, war im BMU sogar sein Untergebener. Selbst wenn er sich integer verhalten hat, provoziert eine solche politische Konstellation Spekulationen.

Hat er den Posten für sich selbst geschaffen? Und hat die einzige Architektin in der Findungskommission, die in der SPD gut vernetzte Präsidentin der Bundesarchitektenkammer Barbara Ettinger-Brinckmann, unabhängig urteilen können?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false