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Kultur: Floßflüchtlinge

Lucy Mulloys Kuba-Film „Una Noche“.

Kubanische Musik, Sonne, Strand, Meer, das Gesicht einer blonden jungen Frau am Steuer. Eine Touristin; wie so viele ist sie auf dem Weg nach Havanna. Doch „das ist nicht ihre Geschichte, sondern meine“, kommentiert Lila (Anailín de la Rúa de la Torre). Auch die junge Kubanerin ist nur eine von vielen: Regisseurin Lucy Mulloy erzählt in ihrem Debütfilm „Una Noche – Eine Nacht in Havanna“ von Kubas heranwachsender Generation. Dreh- und Angelpunkt des Films ist das Meer: für die Touristen der Höhepunkt ihrer Reise, für die Kubaner eine Grenze, die ihre Insel zum Gefängnis macht. Miami ist nur 90 Meilen entfernt. Eigentlich nur ein Katzensprung. Viele Kubaner brechen aber ins Ungewisse auf. Wie die Lampedusa-Flüchtlinge treibt es auch die Balseros – die Flößer von Kuba – immer wieder hinaus auf die See.

Ein hochpolitisches Sujet also: Im Zentrum von „Una Noche“ steht ein Trio: Lila, ihr Zwillingsbruder Elio (Javier Núnez Florián) und dessen Freund Raúl (Dariel Arrechaga). Junge Erwachsene, die merken, dass sie keinen Spielraum für ihre Entscheidungen haben. Zwar haben Lila und Elio sich mit dem Leben auf Kuba arrangiert, doch Raúl bringt die beiden aus dem Gleichgewicht. Gemeinsam mit Elio plant er die Flucht per Floß nach Miami, Lila kommt dahinter und fährt mit ins Ungewisse.

Mulloys Film blickt hinter die Fassaden von Kuba, zeigt, wie das Leben im vermeintlichen Touristenparadies wirklich aussieht. „In Havanna kann man nur schwitzen und ficken“, entfährt es Raúl. Auf den Straßen boomt der Sextourismus, daneben: Korruption, Beamtenwillkür, Repression. Die Polizei ist für die Touristen da, für niemanden sonst. Und Kubas Jugend lebt in einer fiebrigen Verzweiflung, die anscheinend nur das Meer lindern kann.

Am Strand angekommen, steht da wieder die blonde Frau. Wie bitter Kubas Realität auch sein mag, die Touristin ist aus Kubas Realität nicht wegzudenken. Stella Marie Hombach

OmU: Babylon Mitte, Moviemento

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