zum Hauptinhalt

Kultur: Flowerpower in Mitte

Neues Bauen in Berlin: Die Rosenhöfe sind das neueste Projekt des Architektenduos Hinrich und Doris Baller

Das Gebiet rund um den Hackeschen Markt ist derzeit unverkennbar Berlins beliebtestes Touristenauslaufgebiet. So viel Erfolg hat Magnetwirkung. Denn da wo die Leute gerne schlendern und schauen, da sitzt die Börse lockerer in der Tasche. Manchem wäre es wohl am liebsten, man könnte die Hackeschen Höfe klonen. Doch mangels Masse sind der Vervielfachung des Originals Grenzen gesetzt. Dennoch, gleich neben dem Original gibt es jetzt die „Rosenhöfe“.

Schon ihre Fassade an der Rosenthaler Straße, die in zartestem Rosa aufblüht, bemüht sich heftig, die Besucher floral auf das Rosenimage einzustimmen. Ergänzt wird die Farbigkeit von gebastelten Gitterchen und Wandspiegeln, die sich in hellstem Türkis verschlingen. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass es sich bei den Rosenhöfen um das jüngste Werk von Hinrich und Doris Baller handelt. Doch die in den letzten Jahren immer stärker ausgeprägte Dekorationsleidenschaft der Ballers treibt hier geradezu bizarre Blüten, die einem ornamentalen horror vacui gleichkommen. Kaum ein Ort, der nicht verziert und dekoriert wäre.

Das Ergebnis ist eine erschlagende Vielfalt an Formen. Und an und Materialien: Vergebens lechzt das Auge zwischen Granit, Backstein, gelb und rot, Metall, Pflastersteine, Holz, Glas, Putz und Pflanzenwuchs nach einem ruhenden Pol. Unruhefaktor Nummer eins sind jedoch die expressiv geschwungenen Ballerschen Geländer. Dabei zeigt sich gleich am Durchgang von der Rosenthaler Straße in den eigentlichen Hof, wie elegant ein florales Geländer aussehen kann. Dort hat sich das barocke Treppenhaus erhalten. Statt der Baller-Ästhetik schlingt und schwingt es harmonisch, dass es eine wahre Freude ist. Doch das spätbarocke Treppenhaus liegt ungeschützt am Durchgang und wirkt wie ein Fremdkörper im eigenen Haus.

In dem Ensemble, das die Ballers aus zehn Einzelhäusern zusammengefügt haben, reihen sich Läden des gehobenen Einzelhandels aneinander, bieten Schmuck, Design und Kleidung feil. Und als wäre in den Rosenhöfen nicht ohnehin alles schon niedlich und kleinteilig genug, wird der Hof auch noch auf zwei Ebenen unterteilt. Schau- und Verkaufsfläche tut Not! So fühlt man sich zwischen Rundpfeilern, Arkadenstellungen, preußischen Kappen und schindelförmig abgerundeten Glasdächern endgültig wie in Schnuckelputzelhausen. Balkonbrüstungen aus Baller-Gestänge blähen sich auf und ab. Aufgeregte Lampenskulpturen aus ebensolchem türkisfarbenem Gestänge ragen wie wild in die Luft, als handele es sich um eine Hommage an Don Quichotte.

Nicht ohne Tücke ist auch der Übergang zu den rückwärtig anschließenden Hackeschen Höfen, zu denen das Terrain deutlich ansteigt. Dennoch heißt es am Ende des Weges zwei Stufen ’rauf, einen hohen Bordstein ’runter oder einen Bogen schlagen und sich um Säulen schlängeln – ein Ärgernis nicht nur für Kinderwagenschieber.

Da entschädigt auch nicht der Blick auf die rückwärtige Fassade der Rosenhöfe. Sie ist in Glasflächen aufgelöst, die gegeneinander versetzt sind, unter weitgehender Vermeidung von rechten Winkeln. Irgendwo dahinter mag die historische Bausubstanz liegen, mehr zu ahnen als zu sehen. So gelangt der Besucher endlich in die Hackeschen Höfe, etwas atemlos und müde. Kein Blick zurück, nicht mal im Zorn – wäre da nicht die Signalwirkung, die von den Rosenhöfen ausgeht. Sind sie doch ein Beispiel dafür, was mit einem der bescheidenen, über Jahrhunderte gewachsenen Häuser der Spandauer Vorstadt bei der Verwandlung in eine Passage passieren kann. Voll gestopft mit gewerblicher Nutzung und völlig überfrachtet, wird es zur Karikatur seiner selbst.

Noch ist in der Spandauer Vorstadt eine Facette Berlins zu erspüren, die so an keinem anderen Ort der Stadt mehr vorhanden ist. Noch funktioniert die Mischung aus Szene und Touristenauslaufgebiet. Mit Argusaugen gilt es daher, auf die neue Projekte zu schauen, die hier entstehen – wie etwa bei der jüngst vorgestellten Umgestaltung des Postfuhramtes an der Oranienburger Straße zum Design-Hotel.

Jürgen Tietz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false