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Karpaten im Herzen. Zmei Trei, das sind Mihai Iliescu an der Gitarre, Paula Turcas, Gesang und Oli Bott am Vibrafon. Am Montag sind sie im Jazzclub b-flat in der Rosenthaler Straße zu erleben, wo sie auch fotografiert wurden.

© Thilo Rückeis

Folkjazz von Zmei Trei: Wenn Drachen Feuer spucken

Die Sängerin Paula Turcas, der Vibraphonist Oli Bott und der Gitarrist Mihai Iliescu bilden das Trio Zmei Trei. Rauen rumänischen Soul nennen sie ihre Musik. Ein Treffen im Berliner Jazzclub b-flat.

„Wir sind der weiße Blues aus Rumänien“, sagt Mihai Iliescu. Der Gitarrist und Bandleader übernimmt auf der Bühne die Ansagen. In gebrochenem Deutsch, kurz und knapp. Auch auf seinem Instrument verschwendet Iliescu kaum eine Note. Er klingt wie Marc Ribot irgendwo im Wilden Osten: schroff, ein bisschen dreckig, rockig und feinfühlig. Manchmal gleitet er elegant die orientalischen Skalen entlang. Seine Musik geht unter die Haut.

Iliescu ist alles andere als ein Karrieremusiker. Der Sohn eines Folkloretänzers lernte zwar schon als Kind Gitarre, lauschte der Musik von Bach und Tom Waits, doch als Erwachsener verfolgte er zunächst einen anderen Weg. In Bukarest arbeitete er als Anwalt, dann in einer Werbeagentur. „Eine Sackgasse“, wie er feststellt. Um doch noch die musikalische Laufbahn einzuschlagen, zog es ihn nach Berlin: „Hier gibt es viele kreative Leute und gut funktionierende Netzwerke.“ Hier nahm er sein Gitarrenstudium wieder auf und litt zugleich an Heimweh. „Ich vermisste meine Sprache, die Berge und Wälder, ich träumte von einem Paradies, das schon längst nicht mehr existiert“. In Bukarest hatte er die legendären Mundharmonikaspieler Ioan Constantin und Adam Datcu getroffen, die dem Gitarristen das Geheimnis rumänischer Folklore offenbarten. Mit ihnen gründete er Zmei Trei.

Der Name „Drei Drachen“ geht auf dieses ursprüngliche Trio zurück. „Drachen“, witzelt Iliescu, „sind viel interessanter als gute Helden. In den rumänischen Märchen entführen sie schöne Frauen, fliegen, trinken und spucken Feuer.“ Doch vor zwei Jahren hat sich die Band gewandelt. Die alten Mundharmonikaspieler blieben daheim, in Berlin sind stattdessen zwei jüngere Mitstreiter hinzugekommen.

Einer ist der Vibrafonist Oli Bott. Als beide von einer befreundeten Sängerin engagiert wurden, schlug Iliescu vor, gemeinsam ein Lied zu spielen – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Der deutsche Schlagwerker hat am Berklee College of Music bei Gary Burton studiert, einem der großen Lyriker unter den Jazz-Vibrafonisten. Als Komponist und Instrumentalist gewann Bott bereits den NDR-Musikpreis, den italienischen European Jazz Contest sowie – in den USA – den Wayne Shorter Award. Und mit seinen unterschiedlichen Projekten, darunter dem vielbeachteten Quartett Vibratanghissimo, zeigt er immer wieder, wie sehr er sich in andere Kulturen und Musiksprachen einfühlen kann. „Ich mag die melancholischen Farben in der Musik“, sagt er. „Bei Zmei Trei war es Liebe auf den ersten Blick.“ Auf den Metallplatten entwickelt Bott die komplexe Struktur eines Lieds, in seinen Soli schlägt er wie ein Bildhauer die Stimmung heraus. Sein sanfter Anschlag ist ebenso verträumt wie präzise.

Im Vordergrund aber steht der Gesang von Paula Turcas. „Sie hat die Stimme, nach der ich immer gesucht hatte“, schwärmt Iliescu. Turcas, die Tochter eines orthodoxen Priesters, wuchs im ländlichen Transsilvanien mit Kirchgesängen und Folklore auf – nur 20 Kilometer vom Schloss des Grafen Dracula entfernt. Schon im Alter von drei Jahren sang sie Doinas – jene bittersüßen Lamenti, die von einer unstillbaren Sehnsucht beseelt sind, von Trauer oder sogar Wut. Mihai Iliescu formuliert es drastisch: „Doina ist, wenn Besatzungstruppen deine Frau entführen und du den Feind nicht töten kannst.“

Sie wollen Rumänien musikalisch ein Gesicht geben

Karpaten im Herzen. Zmei Trei, das sind Mihai Iliescu an der Gitarre, Paula Turcas, Gesang und Oli Bott am Vibrafon. Am Montag sind sie im Jazzclub b-flat in der Rosenthaler Straße zu erleben, wo sie auch fotografiert wurden.
Karpaten im Herzen. Zmei Trei, das sind Mihai Iliescu an der Gitarre, Paula Turcas, Gesang und Oli Bott am Vibrafon. Am Montag sind sie im Jazzclub b-flat in der Rosenthaler Straße zu erleben, wo sie auch fotografiert wurden.

© Thilo Rückeis

Was Paula Turcas beim Singen verspürt, ist allerdings eher ein Gefühl von Entwurzelung. „Immer gibt es einen Teil in mir, der klagt.“ Sie spricht von der Sehnsucht nach ihrer fernen Heimat, nach jener „eigenartigen, rauen Welt“ in den kleinen Karpatendörfern, wo die alten Frauen noch Schwarz tragen.

Seit zwölf Jahren lebt sie jetzt im Ausland. Das klassische Gesangsstudium schloss sie an der Hochschule für Musik und Theater Zürich ab, als Sopranistin für Barockmusik erhielt sie Preise und sang auf Festspielen auch in Deutschland. Die Liebe zu einem Operntenor führte sie schließlich nach Berlin, wo sie sich derzeit vor allem ihrer Leib-und-Magen-Band Zmei Trei widmet. Hier kommt auch die kräftige Bruststimme der Sängerin zur Geltung. Wenn Paula Turcas eine Doina intoniert, dann entfaltet sie einen Stimmumfang, der von geschliffenen Höhen bis hinab zum dunklen Kontra-Alt reicht. Darin ähnelt sie der großen rumänischen Sängerin Maria Tanase, die einst als die „Edith Piaf des Ostens“ gefeiert wurde. Für Turcas sind einstudierte Posen überflüssig. Sie stellt sich auf die Bühne, schließt die Augen und fängt einfach an zu singen: „Die Doina lebt tief in meinem Herzen. Es zu öffnen ist für mich so natürlich wie das Atmen.“

Mittlerweile interpretieren Zmei Trei nicht mehr ausschließlich traditionelle rumänische Lieder, Iliescu schreibt auch eigene. Oli Bott komponiert die Musik dazu. Die neuen Stücke huldigen der nie ganz einfachen Liebe, sie besingen den Widerstand gegen die sowjetische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg, geißeln die Korruption rumänischer Politiker oder belächeln den modernen Hipster, der nur noch für seine Selfies lebt. Zwischen den drei Musikern herrscht große Empathie, immer wieder schwelgen sie in Improvisationen und heizen sich auf der Bühne gegenseitig ein. „Manchmal klingt das Vibrafon wie die Stimme einer verzerrten E-Gitarre“, sagt Iliescu. „Eigentlich spielen wir mit der Energie von Rockmusikern.“

Das kommt nicht nur beim hiesigen Publikum an. In den letzten zwei Jahren traten Zmei Trei mehrmals in Bukarest auf, mit dabei waren auch die beiden alten Mundharmonikaspieler. Für die Band eine große Herausforderung, wie Iliescu anmerkt: „Die Diktatur hatte die Folklore jahrzehntelang missbraucht, Volkslieder wurden zum Lob der Partei gesungen. Deshalb sind die Leute noch heute misstrauisch.“ Doch in Clubs und Restaurants spuckten Zmei Trei ordentlich Feuer, der deutsche Vibrafonist spielte stellenweise wie auf einem Zymbal. „Der Jubel war groß“, strahlt Bott.

„In Berlin besteht unser Auftrag vielleicht darin, Rumänien ein Gesicht zu geben“, sagt Oli Bott. „Die Leute, die unsere Konzerte besucht haben, korrigieren ihr Bild.“ Etwa das negative Klischee von Taschendieben, Hütchenspielern oder Straßenmusikanten mit geschulterter Ziehharmonika. Wenn Zmei Trei auftreten, fließen nicht selten Tränen im Publikum. Vor ein paar Monaten erhoben sich im Schlot junge Rumäninnen, die vor Freude schluchzten, aber auch Deutsche griffen zum Taschentuch. Der „Rough Romanian Soul“, den sich die Band auf die Fahne geschrieben hat, wirkt weit über die Texte hinaus. Mihai Iliescu wundert das nicht: „Wir haben nichts zu verlieren. Wir spielen jedesmal so, als ob es unser letztes Konzert wäre.“

Zmei Trei spielen am Montag, den 23.2., um 21 Uhr im b-Flat, Rosenthaler Straße 13, in Mitte.

Roman Rhode

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