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Hitzkopf Ken Miles (Christian Bale, rechts) lässt sich von Kumpel Carroll Shelby (Matt Damon) ein Siegerauto entwickeln.

© 20th Century Fox

Ford gegen Ferrari: Im Rennfahrerfilm „Le Mans 66“ sind Männer noch ganze Kerle

Christian Bale und Matt Damon fordern mit Bleifuß und Dickschädel die italienische Autoschmiede zum legendären 24-Stunden-Rennen heraus.

Die Tage des fossilen Zeitalters sind gezählt. Alle wissen es, keiner will es hören. Wie wär’s, wenn stattdessen der Petrokapitalismus ein letztes Mal so richtig das Gaspedal durchtritt? So wie in James Mangolds „Le Mans 66 – Gegen jede Chance“, einer Story über echte Männer, schnelle Autos und den ungebrochenen Willen zum Sieg. In einer Zeit, in der sich die Industrie vor allem mit Abgaskosmetik und Kundenbetrug beschäftigt, erzählt Mangold ein Heldenmärchen rund um das 24-Stunden-Rennen von Le Mans, das praktischerweise auf wahren Begebenheiten beruht.

Im Jahr 1966 gelang es der Ford Motor Company – einem Produzenten solider amerikanischer Motoren mit Funktionskarosserien –, erstmals, in Le Mans zu gewinnen und die Siegesserie des italienischen Luxus- und Sportwagenherstellers Ferrari zu unterbrechen. Der Kniff des Drehbuchs, an dem Mangold ebenfalls mitwirkte, ist eine Umkehrung der Machtverhältnisse. Es macht den Großkonzern Ford zum Underdog, der gegen die Automanufaktur Ferrari – zu einem Zeitpunkt, als der Familienbetrieb des großen Enzo kurz vor dem Bankrott stand – keine Chance hatte.

Die alte Goliath-gegen-David-Geschichte

So wird „Le Mans 66“ zur Goliath-gegen-David-Geschichte. Doch der Wettstreit mit Ferrari gerät fast zum Nebenschauplatz, es geht vor allem um die Intrigen im US-Konzern. Auf der einen Seite die Krawatten und Papiertiger, auf der anderen zwei Mechanikerhaudegen in ölverschmierten Overalls: Matt Damon als amerikanische Rennlegende und Ingenieur Carroll Shelby, der 1959 Le Mans in einem englischen Wagen gewann, und Christian Bale als Rennfahrer Ken Miles. Die Prämisse: Geld und Technik allein reichen nicht, zum Sieg braucht es Überzeugungstäter mit Leidenschaft.

Miles liebt seine Frau Mollie (Caitriona Balfe). Aber Sex hat er mit dem GT40, dem Rennwagen, den er gemeinsam mit Shelby gegen die Widerstände der Ford-Bürokraten entwickelt. „Ja, Mädchen, komm schon!“, schreit er, wenn er am Schaltknüppel rührt, das Gaspedal durchtritt und sich mit 7000 Umdrehungen einem hochtourigen Orgasmus nähert. Der Brite Bale spielt den Briten Miles als hemdsärmeligen, unbeugsamen Idealisten. Zugegeben, es macht Spaß, ihm und – mit Abstrichen – Damon bei ihren archaischen Ritualen zuzusehen.

Die Bordelektronik fliegt zuerst aus dem Auto

Als erste Maßnahme wird die Bordelektronik aus dem Prototyp geworfen. Raus mit dem neumodischen Quatsch! Shelby und Miles gewinnen, weil sie die Dinge so machen, wie man sie früher mal gemacht hat. Das gilt auch für Mangolds Film. Seinen Durchbruch hatte der Regisseur 2005 mit dem Johnny-Cash-Biopic „Walk The Line“, in „Le Mans 66“ begnügt er sich mit dem Beschwören der guten alten Zeit. Die Tage von ehrlichen Hollywood-Helden mit kreativem Dickkopf und Bleifuß, die sich ihre Zuneigung mit einer Faust in die Fresse beweisen.

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Das ist nie überraschend, aber effektiv. Mangold montiert etwas Familiendrama in die Story und bemüht militärische Rhetorik. Für die ist der Konzernboss zuständig. „Ziehen Sie in den Krieg!“, befiehlt Tracy Letts in der Rolle von Henry Ford II. Ihm gehören auch die Königsmomente des Films.

Enzo Ferrari lässt Henry Ford abblitzen

Der erste, als ihm sein Marketingchef die Antwort Enzo Ferraris auf das großzügige Angebot aus Detroit übermittelt, Ferrari für zehn Millionen Dollar zu übernehmen. In der hässlichen Ford-Fabrik, so Ferrari, würden hässliche, unbedeutende Autos gebaut, der Chef sei ein fetter Schweinskopf. Vor allem aber sei er nicht sein Vater, das Ford-Original, sondern nur Henry der Zweite. Letts’ Gesichtsausdruck, als ihm die Botschaft übermittelt wird, ist allein zehn Mille wert.

Unbezahlbar auch die Szene, als Miles Ford zu einer Spritztour im verbesserten GT40 einlädt und die Kamera nur auf Letts hält, der überwältigt ist von Fliehkräften, Angst und Begeisterung. In einer langen Einstellung verzieht sich sein Gesicht langsam zu einer Grimasse, er flennt, stammelt: „Wenn mein Großvater das noch erleben könnte.“ Ein Symbolbild für die Autoindustrie im Dieselgate-Zeitalter. Der Boss der Bosse hat natürlich keinen Schimmer, was seine Maschinen alles anrichten können.
In 19 Berliner Kinos; OV: Filmpalast Treptower Park, Cubix Alexanderplatz, Cinestar Hellersdorf, Imax, Cinestar Tegel, Kinowelt am Eastgate, Colosseum, Luxe Kino Mercedes-Platz, Zoo Palast

Arno Raffeiner

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