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Forever Enthralled

© Promo

''Forever Enthralled'': Wassersuppe

Der Wettbewerbsfilm "Forever Enthralled" ist totes Kino: das Schauspiel zur Pose erstarrt, die Historie mit Sepiafarben sediert.

Erst „Chéri“, dann Chen Kaige: Am Dienstag war Kostümfilmtag auf der Berlinale. Was für ein Unterschied. Stephen Frears zerreißt einem das Herz, Chen Kaige lässt einen kalt. Dabei birgt „Forever Enthralled“ reichlich Sprengstoff: als Biopic des größten Stars, den die Pekingoper je hatte (Tsp. vom 10. 2.), als 147-minütiges Jahrhundertepos, als Liebestragödie, als Studie über den Freiheitsdrang der Kunst und als Parabel über den ewigen Streit zwischen den Werktgetreuen und den Reformern. Ja, auch die Pekingoper hatte ihre Regietheaterdebatte.

Mei Lanfang (Leon Lai), Chinas berühmtester Darsteller des frühen 20. Jahrhunderts, wäre heute einer wie Neuenfels, Castorf oder Konwitschny – die Darsteller waren damals ihre eigenen Regisseure. Zu Beginn seiner Karriere trotzt Mei seinem alten Meister, wagt Unerhörtes auf der Bühne – und das Publikum liegt dem bildschönen Pionier zu Füßen. Mei veredelt seine Profession: Galten Schauspieler bis dahin als Prostituierte, wird ihm nun große Achtung zuteil – auch wenn der Respekt der Liebediener und Geschäftemacher um ihn herum vor allem pekuniären Zwecken dient.

Was der Film verhandelt, ist auf den gediegenen, erschreckend uninspirierten Bildern dummerweise nicht zu sehen. Weder die Magie der Pekingoper, noch der Kulturbruch zwischen den Bühnenauftritten von Veteran und Rebell, noch die Anstrengung, die es Mei Lanfang gekostet haben muss, zwar der Leibeigene seiner Kunst zu sein, sich aber nicht zu Propagandazwecken missbrauchen zu lassen. Auch nicht von den japanischen Besatzern.

Chen Kaige hat einmal große Filme gedreht, Pamphlete gegen den Zwang der Kollektive und gegen das kollektive Vergessen, allen voran „Lebewohl meine Konkubine“ von 1993. Darin erzählte er von Liebe und Lüge, Verrat und Verzweiflung, davon, wie die Kunst mit der Macht geht und wie die Macht sie zerstört. Er hat drastische Wahrheiten riskiert und der historischen Kulisse leidenschaftliche, grausame Bilder abgerungen. „Forever Enthralled“ ist totes Kino: das Schauspiel zur Pose erstarrt, die Historie mit Sepiafarben sediert, jeder Nebendarsteller zum Knallchargen verkommen. Wenn Mei leidet, schlürft er Suppe und die Querflöte singt melancholische Weisen dazu – es ist zum Weinen. Christiane Peitz

11.2., 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 22.30 Uhr (Urania)

Chen Kaige erzählt vom

größten Star der Pekingoper – und erstarrt in Ehrfurcht

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