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Kultur: Formeln lügen nicht

Kino: Gwyneth Paltrow führt den „Beweis“

Albert Einstein hätte im Kino keine Chance. Denn ein Genie, so die ungeschriebenen Branchenregeln, taugt nur dann für den Film, wenn es nachweislich dem Wahnsinn anheimgefallen ist. Geistesheroen der Mathematik sind von dieser Diskriminierung besonders betroffen. Man denke an Russell Crowe, der als Chaostheoretiker in „Beautiful Mind“ seine Formeln auf Fensterscheiben malen musste und in Pullunder und Hochwasserhosen dem Verfolgungswahn entgegentaumelte. In John Maddens „Der Beweis“ geht es Anthony Hopkins kaum besser. In jungen Jahren hat Robert die Mathe-Zunft revolutioniert. Aber bald erkrankt er an galoppierender Demenz und kritzelt in späten Jahren hunderte von Heftchen mit sinnlosen Zeichen voll.

Der Film setzt mit Roberts Tod ein, im Zentrum des Interesses steht Tochter Catherine (Gwyneth Paltrow). Zehn Jahre lang hat sie sich um den Vater gekümmert und die eigene Karriere als Mathematikerin zurückgestellt. Auf der Trauerfeier sorgt sie für einen Eklat: Sie spricht vom Wahn und der Inkontinenz des Vaters und schließt mit den Worten: „Ich bin froh, dass er tot ist.“ Catherine hat Angst, dass sie nicht nur die Gaben, sondern auch die Geisteskrankheit des Vaters in ihren Genen trägt.

Ihre vergleichsweise irdisch geratene Schwester Claire (Hope Davis) befürchtet Ähnliches – und will Catherine deshalb nach New York locken. In der schwesterlichen Umarmung aber entgeht Catherine nur knapp dem Erstickungstod. Auch hinter den Avancen des Uni-Assistenten Hal (Jake Gyllenhaal) vermutet sie unlautere Karrierepläne. Aber schließlich gibt sie ihm den Schlüssel zu einer Schublade, in der ein bahnbrechender mathematischer Beweis lagert. Catherine behauptet, dieser sei von ihr – womit sie ziemlich allein dasteht.

„Der Beweis“ hat zwei Probleme. Das eine heißt Anthony Hopkins, der dem Geschehen in halluzinatorischen Rückblenden regelmäßige Besuche abstattet. Wie oft muss man ihn noch in der Rolle des brillanten Psychopathen sehen? Was Hopkins an Routine zu viel hat, fehlt Gwyneth Paltrow an Überzeugungskraft. In „Emma“ und „Shakespeare in Love“ leuchtete etwas, wenn Paltrow die Szenerie betrat. Aber seit sie die dunklen Seiten des Lebens auszuloten sucht, scheitert sie – zuletzt an der schriftstellerischen Selbstzerfleischung von Sylvia Plath. Auch in „Der Beweis“ fehlt es ihr an Aura. Mit Dauerschmollmund und zerknitterter Stirn gleicht sie eher einem verkaterten Partygirl als einer Hochbegabten. Einziger Lichtblick: Hope Davis. Als schauerlich kontrollsüchtige Überschwester zeigt sie, welch emotionale Tiefenstruktur in der dramatischen Geschichte steckt.

In Berlin im Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmpalast, Kant, Kulturbrauerei, Rollberg, UCI Friedrichshain. OV im Cinestar Sony-Center

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