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Strumpfhosen für die Firma Rogo (um 1935)

© Gorny / Collection Regard

Fotografie in der Collection Regard: Messerscharf

Hein Gorny zählte zu den gefragtesten Industrie- und Werbefotografen zwischen den Kriegen. Dabei war er Autodidakt

Was für ein Lebensweg! Der junge Mann mit abgebrochener Tischlerlehre wandert zu Fuß nach Italien und setzt von dort nach Ägypten über, bekommt eine Kamera in die Hand und beginnt eine bemerkenswerte Laufbahn. Er wird einer der gefragtesten Industrie- und Werbefotografen der Zeit zwischen den Kriegen, genauer gesagt ausgerechnet der dunklen Jahre der Nazi-Herrschaft, aber da ist er, schon seiner jüdischen Ehefrau wegen, ein Außenseiter. Er ist es in gewisser Weise auch als Fotograf, denn was er bewahrt, ist die Haltung, sind die fotografischen Prinzipien der neuen Sachlichkeit der Weimarer Republik.

Hein Gorny (1904–1967) wird nicht unter die erste Garde der neusachlichen Fotografen gezählt. Dazu war er auch zu jung. 1929 macht er sich als Werbefotograf in Hannover selbstständig. Berlin betritt er 1935, als er das Atelier der emigrierten Lotte Jacobi übernimmt. In wenigen Jahren entstehen Auftragsarbeiten für Firmen wie Bahlsen, Pelikan oder die Feldmühle Papierwerke. Die Collection Regard, mehr ein Museum als eine Galerie, ins Leben gerufen von dem ambitionierten Fotoliebhaber Marc Barbey, stellt nun als ihre dritte Übersicht zu Gornys Werk dessen Industriefotos vor. Das können messerscharf gezeichnete Detailaufnahmen von Stempelkissen, Reißzwecken, Hemdkragen sowie Keksen und ihren Verpackungen sein; ebenso jedoch Ansichten von Industrie und Maschinen in Perspektiven, die Renger-Patzsch oder in der Sowjetunion Alexander Rodtschenko nicht dynamischer gestaltet haben. Der Wechsel vom Kleinen zum Großen fällt Gorny ebenso leicht wie der zwischen Objekt und Person, wiewohl die Aufnahmen vom Arbeitsalltag etwas Gestelltes haben, und erst beim Blick auf solche Bilder kommt zu Bewusstsein, dass sie aus der Zeit der „Deutschen Arbeitsfront“ des NS-Regimes stammen.

Gorny geriet unter dem NS-Regime immer stärker unter Druck und plante die Emigration in die USA, von denen seine Frau Ruth jedoch keine Aufenthaltsgenehmigung erhielt. Also schlug er sich weiter durch, hatte aber, seines Könnens wegen, weiterhin Aufträge, fotografierte vor allem aber Tiere. Gleich nach Kriegsende wagte er sich an eine Dokumentation des zerstörten Berlin, die nicht wie geplant in Buchform erscheinen konnte. Aber das ist schon nicht mehr Gegenstand dieser Ausstellung,
Collection Regard, Steinstr. 12, bis 27. Mai, Fr 14–18 Uhr (auch Karfreitag)

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