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Broich

© dpa

Fotografie: Margarita Broich: Spieler, immerzu

Sie präsentiert etwa 60 Schauspielerkollegen (und -innen) in Momenten nach dem Spiel. "Ende der Vorstellung": Die Fotografien der Schauspielerin Margarita Broich.

Nach der Vorstellung ist auch nach der Verstellung. Das Motto ihrer ersten großen Ausstellung gilt so auch für die 49-jährige Berliner Theater- und Filmschauspielerin Margarita Broich, die sich nun für die weitere Öffentlichkeit ziemlich unverhofft als Fotokünstlerin entpuppt. Für Broich keine neue Rolle, aber ihr „Ende der Vorstellung“ bezeichnet zugleich einen lebendigen Anfang.

Margarita Broich präsentiert etwa 60 Schauspielerkollegen (und -innen) in Momenten nach dem Spiel. Oft in der Garderobe, manche in den meist verliesartigen Abgängen irgendwo zwischen Bühne und eigenem Rückzugsraum, einige auch in Foyers, Kantinen oder bei Film- und Fernsehakteuren in ihren Kulissen, am Set oder gar auf dem freiem Feld. So posiert Veronica Ferres auf einem Acker „Unter Bauern“, derb und elegant, da hat man den Eindruck, die Vorstellung (und Verstellung) geht noch weiter.

Die schönsten der vielen schönen Broich-Bilder sind aber die, bei denen man alles Gestellte, Gesetzte, scheinbar oder tatsächlich Improvisierte vergisst. Was gar nicht so leicht ist. Denn die blitzenden Garderobenspiegel, die Schminktöpfe, Masken, Pinsel, Perücken und Privataccessoires – Max Raabes Gummibärchen, Zazie de Paris’ rosa Pumps, Peter Simonischeks Badelatschen (nach dem Salzburger „Jedermann“), Sebastian Kochs wie ein Baby im Arm gehegte Gummiwärmflasche oder selbst Klaus Maria Brandauers in Wallensteins blutigem Totenhemd gegriffenes erstes Berliner Pils – all diese Hinterbühnenrequisiten ergeben mit den meist prominenten Hauptdarstellern natürlich noch wie von selbst: das Bild einer Aftershow.

Margarita Broich, die mit kaum zwanzig schon ein Fotodesignstudium in Dortmund abgeschlossen hatte und noch vor ihrer Schauspielausbildung an der Berliner HdK Anfang der achtziger Jahre bei Claus Peymann in Bochum Theaterfotografin war, sie möchte statt der Show und des Scheins etwas vom Leben des Spielers einfangen, wenn er gerade ausgespielt hat, aber der Rolle noch nicht ganz entkommen ist. Also im Zwie- und Zwischenlicht steht. Oder im Schatten der gerade verrauschten Komik, Tragik, des Beifalls, der Hochspannung und Erschöpfung. Wie nach einem Liebesakt.

Eben dieser Ausdruck findet sich in den Gesichtern: etwa von Volker Spenglers magisch düsterem Totenlebensantlitz aus den im Sommer 2007 auf Schloss Neuhardenberg gezeigten „Erkundungen für die Präzisierung des Gefühls für einen Aufstand“. Oder in der sonderbar tiefen Melancholie, die Sophie von Kessels Blick umflort und noch die Augen rötet, nachdem sie eben, vor einem Jahr (und gerade wieder), die Buhlschaft im Salzburger „Jedermann“ gespielt hat. Das ist dann wunderbar antimondän, selbstbewusst-selbstvergessen, für einen von Margarita Broich verewigten Moment. Ähnlich wie auch Kate Winslets konzentrierter Ernst in einer Drehpause beim „Vorleser“ (in dem Margarita Broich selber mitgespielt hat).

Weil ihre lebenden Objekte aber meist auch große Komödianten sind, zeigt die gegenüber dem Festspielhaus im Salzburger Rupertinum noch bis zum 4. Oktober zu sehende und im vorzüglichen Katalogbuch des neu gegründeten Müry-Salzmann Verlages als Augen- und Lesevergnügen festgehaltene Ausstellung immer wieder: herrlich komische Szenen.

Ottfried Fischer, stoisch rund und riesig, raucht mit seinem Garderobier (klein, grau, nacktwadig) eine Zigarette vor einer grotesken Alpenfototapete, das Berliner Ensemble von Wilsons „Dreigroschenoper“ amüsiert sich noch in der Gruppengarderobe bettelköniglich, Walter Schmiedinger hält sich hinter den Kulissen von Peter Steins „Wallenstein“ an die Memoiren von Maria Schell, und Martin Wuttke, Margarita Broichs Mann im wahren Leben, gibt ein blondes Gretchen im abgedrehten Andy-Warhol-Look. Kein Ende also, das Spiel geht weiter.

Margarita Broich: Ende der Vorstellung. Schauspielerporträts im Salzburger Rupertinum, bis 4. Oktober. Katalogbuch mit Texten u.a. von Brigitte Landes und Thomas Oberender im Verlag Müry Salzmann, Salzburg 2009, 64 Seiten, 25 €.

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