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Fotografie: Tillmans holt Bali nach Hannover

Wolfgang Tillmans, der in den 90er Jahren mit Techno- und Homosexuellenstudien bekannt wurde und als bislang einziger Deutscher den Turner-Preis erhalten hat, stellt seine aktuelles Oeuvre ab Freitag in Hannover aus.

Hannover - Einen Einblick in das aktuelle Schaffen des Fotokünstlers Wolfgang Tillmans gibt die Ausstellung "Bali", die an diesem Freitag in Hannover eröffnet wird. Schwerpunkt der Schau in der Kestnergesellschaft bildet die Installation "Truth Study Centre". Darin beschäftigt sich Tillmans mit politischen Themen wie religiösem Fundamentalismus, indem er eigene Fotografien mit Zeitungsausschnitten und anderen Materialien kombiniert. Der 1968 geborene Künstler gewann im Jahr 2000 als erster Deutscher den renommierten britischen Turner-Preis. Bekannt wurde Tillmans in den neunziger Jahren mit Fotos der Techno-Szene.

Am Anfang seiner Karriere pinnte Tillmans seine Fotoabzüge einfach mit Klebeband an die Wand und verblüffte damit die Kunstwelt, noch heute wählt er ungewöhnliche Präsentationsarten. Bei der Installation "Truth Study Centre" sind es eigens angefertigte Tische, auf denen er die Arbeiten thematisch arrangiert. Es geht um Islamismus und religiösen Fundamentalismus, um Rechtsradikalismus in Deutschland und die Aids-Problematik. Eine künstlerische Reaktion auf das ideologische Durcheinander in der Welt, wie Tillmans sagt.

Zweifelhaftes Paradies

Ein Globalisierungskritiker sei er aber nicht, betonte der in London lebende Fotograf. "Ich will vielmehr die Widersprüche aufzeigen, in denen wir uns alle befinden." Darauf spiele auch der Titel "Bali" an. Selbst aufgeklärte westliche Menschen schwärmten von Bali als Paradies. Dabei blendeten sie aus, welche Folgen für die Umwelt der 16-stündige Flug dorthin habe und dass es sich eigentlich um eine von Religionskriegen erschütterte Region handele.

Tillmans Oeuvre lässt sich nicht auf sein politisches Engagement reduzieren. Die Tischinstallation - frei übersetzt das Zentrum zum Studium der Wahrheit - legt viele Fährten, auch zur eigenen Biografie: Porträts von Freunden, in den 1980ern gestaltete Kunstplakate, Naturfotografien, Planetenaufnahmen - Tillmans war schon als Kind im nordrhein-westfälischen Remscheid ein Sternengucker.

Tropfen als Fotopapier

In Hannover sind außerdem großformatige abstrakte Bilder zu sehen, die teilweise im direkten Entwicklungsverfahren, ohne Kamera, entstanden sind. Die mitunter zufällig generierten Farbflächen in Rosa und Silber entfalten eine eigene Ästhetik. Auch die neue Serie "paper drop" verblüfft den Betrachter. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich die schillernden Tropfen als gerolltes Fotopapier.

Parallel zur Tillmans-Schau zeigt die Kestnergesellschaft ebenfalls bis zum 6. Mai Zeichnungen des amerikanischen Künstlers Raymond Pettibon, dessen Zeichnungen stark in der amerikanischen Popkultur verankert sind. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. (tso/dpa)

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