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Stadtreflexion.Die Matthäuskirche auf dem Kulturforum spiegelt sich in der Neuen Nationalgalerie.

© Efraim Habermann

Fotografien von Efraim Habermann: Konstrukteur des Augenblicks

Reale Romantik: Die Kommunale Galerie Berlin zeigt fotografische Stillleben und Impressionen sowie Aquarelle von Efraim Habermann.

Mit diesem Stoßseufzer beginnen Fotografenkarrieren. „Endlich kommt mal einer, der keine Fotos von Enten bringt“, sagt der Tagesspiegel-Redakteur Bela von Abonye zu dem aufstrebenden Fotografen, der ihm 1968 seine Stadtansichten zeigt. Für 25 Mark kauft er Efraim Habermanns Aufnahme der Matthäuskirche, die sich in der Neuen Nationalgalerie spiegelt, und druckt sie auf der damaligen Fotoseite „Weltspiegel“ ab.

Fünfzig Jahre später hängt die durch Licht-und-Schatten-Kontraste strukturierte Aufnahme in der Ausstellung „Mit Licht zeichnen“, die die Kommunale Galerie Berlin Efraim Habermann zum 85. Geburtstag widmet. In zwei Räumen sind fotografische Stillleben und Impressionen aus den siebziger bis neunziger Jahren und jüngere kleinformatige Aquarelle zu sehen.

Efraim Habermann, der 1933 im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung in Berlin geboren wird und – bis zur Flucht der Familie nach Palästina im Jahr 1939 – in Mitte aufwächst, ist kein Dokumentarist seiner Heimatstadt, sondern einer, der sich für ihre Konturen, ihre grafische Struktur, ihre Materialität interessiert. In grobkörnigem Schwarz-Weiß arbeitet er sich mit der Kamera in die Oberflächen von Putzwänden, Brandmauern, reflektierenden Glasscheiben und Wasseroberflächen, die hart und weich zugleich erscheinen.

Jede Fotografie ist sorgfältig komponiert und selbst entwickelt

Er fotografiert auf den jüdischen Friedhöfen Weißensee und Schönhauser Allee, auf der Oranienburger Straße, wo er im Alter von sechs Jahren mitansehen muss, wie die Große Synagoge, die er mit seinen Eltern besuchte, in Flammen steht. Er verliebt sich in die Stadt Venedig, deren Schönheit der Morbidität mancher seiner Berliner Fassaden in nichts nachsteht. Er inszeniert Stillleben und taucht selbst heitere Badeszenen an sommerlichen Seen der Stadt in strenges Schwarz-Weiß. Zwei Serien widmet er ernsten jungen Frauen und ebenjener Neuen Nationalgalerie und ihren zu Silhouetten gerinnenden Besuchern. Toll, wie die Aufnahme von drei Damen im Mantel, die sich spindeldürre Giacometti-Plastiken anschauen, zu einem Scherenschnitt vor grieselgrauem Hintergrund gerät.

Seine Fotos und auch seine ganz dem geometrischen Formenkanon verhafteten Gemälde sprechen davon, dass der 1957 nach Berlin zurückgekehrte Habermann, der im Brotberuf als technischer Zeichner in der Senatsbauverwaltung arbeitete, ein Konstrukteur des Augenblicks und ganz gewiss kein Knipser ist. Jede seiner nach selbstbewusster Malermanier vorn signierten Fotografien ist sorgfältig komponiert und selbst entwickelt. Wie sein Malervorbild, der Impressionist Paul Cézanne, will Habermann als Fotograf frei sein und nimmt äußerst selten Aufträge an. „Autorenfotograf“ nennt ihn Benjamin Ochse, der die Werkschau zusammengestellt hat. Habermanns Selbstbezeichnung lautet „Realromantiker“. Mehr als 40 Jahre lebt der elegante Herr inzwischen in einer kleinen Wohnung in einem Hinterhaus in der Fasanenstraße. Und nach wie vor ist er jeden Abend gegen sieben im Café des Literaturhauses anzutreffen.

Kommunale Galerie Berlin, Hohenzollerndamm 176, bis 12. August, Di–Fr 10–17 Uhr, Mi 10–19 Uhr, So 11–17 Uhr

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