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Fotokunst in Berlin: Hybride Landschaften

Nicht nur das spanische Künstlerduo Almalé und Bondía ist in der Galerie Martin Mertens zu sehen, sondern auch die niederländische Fotokünstlerin Tessa Verder. Im Zentrum ihrer Werke steht die Reflexion über Natur.

In der Galerie Martin Mertens (Linienstraße 148, bis 29. November) treffen zwei fotografische Sichtweisen aufeinander, die trotz unterschiedlicher Herstellungsprozesse eng miteinander verwandt sind. Dabei handelt es sich nicht um Einzelaufnahmen, sondern um komplexe, gleichsam zeitraubend inszenierte Lichtbilder. Davon ist zuerst kaum etwas zu erkennen. Um so größer die Überraschung, liest man genauer nach, wie diese meditativ-bukolischen, durchaus malerischen Landschaftsbilder entstehen.

Natur bildet das Bindeglied zwischen den Bildern des aus Saragossa stammenden spanischen Künstlerduos Almalé y Bondía und der niederländischen Fotografin Tessa Verder. Javier Almalé und Jesús Bondía stellen drei großformatige Serien vor, die unseren Blick auf Landschaft offensichtlich infrage stellen. „Infranqueable“ (je 2800 €) zeigt Felsformationen, in denen geisterhaft-transparent Türen auftauchen. Sie sind unzugänglich, wie im Titel angedeutet, verschlossen, aber echt, handelt es sich doch um real aufgebaute Türen, gänzlich mit Fotos des dahinter befindlichen, zuvor fotografierten Naturausschnitts bedruckt. Die Serie „In situ“ (je 6650 €) zeigt eine Waldkulisse, in der eine wandartige Installation aus mehreren Spiegeln neue Realitätsausschnitte einbringt. In der Serie „Retratos“ (je 970 €) bilden Landschaftsgemälde wie das „Eismeer“ von Caspar David Friedrich den Hintergrund für eine reale Rückenfigur, die gespiegelt im Wald aufgenommen ist. Hier wie dort geht es um das Wahrnehmen, Wieder-Erkennen und Darstellen von Landschaft.

Gemalte romantische Landschaften spielen auch für die 1967 geborene Tessa Verder eine große Rolle. Sie kombiniert in ihren Bildern, anders als das spanische Duo, in langwieriger digitaler Bearbeitung fotografierte Gemäldedetails mit eigenen Aufnahmen von abgelegenen Landschaften in Island, Frankreich, Namibia oder Südafrika. Daraus entstehen aber keine collagehaften Konstrukte, sondern hybride, letztlich realistische Szenen, die nur bei genauem Schauen die für die Malerei typischen Pinselspuren erkennen lassen. Tessa Verder ist mit zwei Serien in verschiedenen Formaten vertreten, mit „Day“ (1750–7500 €) und „Blaue Blume“ (4500–7500 €), die offensichtlich auf Novalis’ berühmten Begriff aus dem Romanfragment „Heinrich von Ofterdingen“ anspielt. In den Tag-Bildern tauchen meist Bäume in flacher Landschaft auf, in der zweiten Serie sind es imposante Felsformationen. Ähnlich wie bei Almalé y Bondía bedeutet der Rückgriff auf Malerei, verbunden mit technischer Reproduktion, eine Reflexion über Natur. In einer durchrationalisierten, urbanen Welt bildet sie einen Ort der Flucht, aber auch der Hoffnung und Sehnsucht.

Michael Nungesser

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