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Kultur: „Fräulein, bitte woll’n Sie Shimmy tanzen?“

Dominique Horwitz präsentiert Emmerich Kálmáns Operette „Die Bajadere“ in der Komischen Oper.

Intendant Barrie Kosky hatte mal wieder genau das richtige Timing. Draußen herrscht am 23. Dezember tückisches Tauwetter, mit einer fiesen Eisschicht unterm Schneematsch, und drinnen in der Komischen Oper spielen sie silberne Operette. Emmerich Kálmáns „Die Bajadere“, ein Schmuckstück der Gattung, die zu diesem Zeitpunkt ihre naive Walzerseligkeit schon verloren hat, die Modetänze in zunehmend schlüpfrigere Handlungen integriert, um sich gegen neue Unterhaltungstrends behaupten zu können – und die bald darauf dann doch in Tonfilm und Revue zerfallen wird.

Dirigent Stefan Soltesz bewegt sich souverän auf dem geschmacklich so glatten Parkett dieser erodierenden Kunstform: Er weiß, wie man den Talmiglanz der Kálmán-Melodien zum Funkeln bringt, und Chor wie Orchester der Komischen Oper gehen begeistert in dieser konzertanten Aufführung. Sie kosten das Zuckrige der Partitur aus, das Schwüle, die Exotik, die in diesem Fall rätselhaft-indisch wie auch mondän-französisch sein soll, bei der aber dennoch durchweg das Markengewürz des ungarischen Komponisten dominiert: akustische Pusztapaprika. Der größte Hit dieses Dreiakters aber, in dem sich der Prinz von Lahore in die Pariser Schauspielerin Odette verliebt, ist die kecke, nach Amerika schielende Nummer „Fräulein, bitte woll’n Sie Shimmy tanzen?“.

Auf den Tag genau vor 90 Jahren fand die deutsche Erstaufführung der „Bajadere“ in jenem Berliner Vergnügungstempel statt, der auf den Tag genau seit 65 Jahren die Komische Oper beherbergt. Und weil in der frühen Geschichte des Hauses die leichte Muse so ein Schwergewicht war, hat der im Herbst als Intendant angetretene Kosky beschlossen, hier wieder viel mehr Operette zu spielen. Zwei Werke werden künftig pro Spielzeit konzertant vorgestellt – in dieser Saison ist noch Kurt Weills „Kuhhandel“ zu entdecken –, ein Stück erfährt eine Neuinszenierung. Die ist diesmal sogar Chefsache: Für den Juni bereitet Kosky die Wiederentdeckung von Paul Abrahams „Ball im Savoy“ aus dem Jahr 1932 vor, in seinen Augen die Berlin-Operette schlechthin. In der darauffolgenden Saison sollen dann die Geschwister Pfister in einem weiteren Stück mit Hauptstadt-Sujet auftreten. Für die konzertanten Operetten wiederum wird es jeweils einen Conferencier geben, Quatsch-Comedy- Clubbetreiber Thomas Hermanns, so hört man, steht schon fürs kommende Jahr unter Vertrag.

Diesmal ist der Schauspieler und Sänger Dominique Horwitz dran, der sich prompt sehr großzügig Redezeit einräumt, um in Karikatur-Fronßösischhh die Handlung auszuerzählen. Schade, denn zu gerne hätte man mal das originale Libretto des legendären Dichterduos Julias Brammer und Alfred Grünwald gehört, das voll sprachwitziger Anspielungen auf das Leben hinter den Theaterkulissen stecken soll.

Mirka Wagner, Tom Erik Lie und Stephan Boving treffen als Komikertrio den rechten frivolen Tonfall für ihre Nummern und Couplets, von den Gesangsversen allerdings dringt wenig bis ans Zuhörerohr. Besser kann sich da das hohe Paar verständlich machen, also die fesche, falsche Bajadere, „die schreitet frei von Erdenschwere“, und ihr liebestoller Prinz von Lahore: Erika Roos’ klarer Sopran überstrahlt mühelos das Orchester, Daniel Brenna wirft sich mächtig in die Brust und verfällt dabei zur Freude des ausverkauften Saals immer wieder ins prototypische vornehme Näseln des klassischen Operettentenors.

Der Modetanz Shimmy übrigens, nach dem die Kálmán-Figuren ebenso verrückt sind wie die Berliner Großstadtjugend der zwanziger Jahre, geht so: Das Paar steht sich gegenüber, jeder tanzt für sich allein auf der Stelle, wobei Vibrationen in provokanter Gestik den ganzen Körper durchzucken: die Beine formen sich zum X, die Schulten werden geschüttelt, der Unterleib abrupt nach vorn gestoßen, das Becken kreist. Klingt irgendwie vertraut. Frederik Hanssen

Am 29.12., 19 Uhr, sendet Deutschlandradio Kultur einen Mitschnitt des Abends.

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