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Jana Göbel und Matthias Meisner, Herausgeber des Buchs "Ständige Ausreise. Schwierige Wege aus der DDR".

© Dorothee Nolte

FRAGEN  an Jana Göbel und Matthias Meisner: Kannte und half man sich?

Die DDR auf offiziellem Wege verlassen - wie ging das? Fragen von Tagesspiegel-Lesern an die Herausgeber des Buchs "Ständige Ausreise".

Fast 400 000 Menschen verließen zwischen 1975 und 1989 die DDR auf offiziellem Wege: Ihr Antrag auf ständige Ausreise wurde – oft nach jahrelangem Warten und vielen Schikanen – bewilligt. Das Buch „Ständige Ausreise“ aus dem Ch. Links Verlag (296 Seiten, 18 Euro), das 24 solche Geschichten erzählt, wurde am Montag im Tagesspiegel-Salon vorgestellt. Hier einige Fragen der Gäste an die Herausgeber Jana Göbel und Matthias Meisner.

In wie vielen Fällen haben sich die Lebensumstände der Antragsteller in der Wartezeit deutlich verschlechtert? H.-J. Melchior, Steglitz

Eine Statistik gibt es nicht, und auch keine präzise wissenschaftliche Aufarbeitung. Die allermeisten Porträtierten im Buch berichten von Herabstufungen oder gar Berufsverboten. So musste zum Beispiel eine Lehrerin vier Jahre bis zur Ausreise als Kassiererin bei der HO arbeiten. Ein Betriebsdirektor wurde Heizer. Das brachte deutliche finanzielle Einbußen mit sich und sollte eventuelle Nachahmer abschrecken. Für junge Menschen konnte der Ausreiseantrag das sofortige Aus für Studium oder Abitur bedeuten.

Wie genau muss ich mir die Antragstellung vorstellen? Bea Goldmann, Kaulsdorf

Es gab kein Formular und keine zuständige Behörde. Bis 1988 war es sogar illegal, einen Ausreiseantrag zu stellen und konnte mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden. Die meisten schrieben ihren Antrag mit der Schreibmaschine oder mit der Hand. Oft begründeten sie diesen Schritt ausführlich, etwa mit der fehlenden persönlichen Freiheit in der DDR. Den Brief schickten viele an die Abteilungen Inneres in ihren Bezirken oder Kreisen. Manche Antragsteller reichten immer wieder neue Anträge ein. Niemand bekam eine Eingangsbestätigung. Die Wartezeit konnte mehrere Jahre dauern.

Gab es inoffizielle Zusammenschlüsse von Antragstellern? Kannte und half man sich? Margret Neldner, Friedrichshain

Es gab heimliche Treffen von Ausreisenden. So berichtet eine Berlinerin von wöchentlichen Runden auf einer Wiese im Volkspark Friedrichshain. Einen Raum dafür zu mieten, war unmöglich. Andere trafen sich privat in Wohnungen. Die Wartenden machten einander Mut oder gaben sich Tipps. Es war allerdings auch Vorsicht geboten, denn es konnte jemand von der Stasi dabei sein. Wenn Antragsteller nicht mehr zu den Treffen kamen, hofften alle, dass sie es in den Westen geschafft hatten.

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