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Wasserspiele. Im Pavillion des Gastlandes Island regiert die Natur - Vulkane, Geysire und das Meer mit seinen Lebewesen. Der Mensch ist Betrachter und Leser

© dpa

Frankfurt: Die Buchmesse sieht wie eine Industrieschau aus

Autos, Wellness, Island-Projektionen – auf der Buchmesse gibt es viel zu sehen. Sogar Bücher - Ein Rundgang.

Wenn man auf dem sogenannten Marktplatz des Frankfurter Messegeländes steht, wähnt man sich nicht gerade auf einer Buchmesse. Ein weißes, mit vielen eleganten Schwingungen versehenes Gebäude ist hier aufgestellt worden; „Audi – Vorsprung durch Technik“ heißt es an einer der Seiten, „Driven by ideas“ auf einer anderen.

Die Frankfurter Buchmesse kooperiert in diesem Jahr erstmals mit einem Automobilkonzern, „weil wir ähnliche Anforderungen an Unternehmenskultur-Techniken haben“, wie Messedirektor Jürgen Boos bei der Eröffnungspressekonferenz gesagt hat. Und Peter Schwarzenbauer, der Vorstand für Marketing und Vertrieb bei Audi, meint: „Zur Gestaltung unserer zukünftigen Lebensräume werden Vertreter aller Disziplinen deutlich stärker zusammenrücken müssen. Wir glauben, dass wir einen intensiven gesellschaftlichen Austausch darüber brauchen, wie wir in Zukunft leben möchten“.

Drinnen im „Open Space“ sieht es gleichfalls sehr nach Zukunft aus, nach einer strahlend weißen, Wellness-orientierten: mit einer Papierinstallation des Künstlers Christopher P. Baker, antiquarischen Büchern, die hier wie neu wirken, und natürlich drei Audi-Modellen. Die Stände in den angrenzenden Räumen sind ein buntes Sammelsurium, sie versammeln tatsächlich Vertreter vieler Disziplinen. Das Wirtschaftsmagazin „Brand eins“ präsentiert sich hier, das Essen- und Trinken-Magazin „Servus“, der arabische Fernsehsender „Al-Dschasira“, und Nintendo spielen kann man in einer Ecke auch. Die Zukunft sieht hier so ein bisschen aus wie die Zukunft vor über zehn Jahren auf der Popkomm in Köln, zu den hohen Zeiten der new economy. Vielleicht hält sie ja ein bisschen länger.

Schlendert man hinüber ins Forum, in den Pavillon des Gastlandes Island, ist von der Buchmesse immer noch nicht viel zu sehen. Zuerst passiert man auf der unteren Ebene eine riesige Halle, in der sich die ARD mit ihren Sendern präsentiert (gelesen wird hier allerdings auch manchmal), bevor sich oben die isländische Welt in einem sehr dunklen Pavillon zeigt. Es ist erstaunlich voll hier, so voll wie selten bei den Gastländern der Buchmesse. Bestimmt 200 Menschen verfolgen eine Veranstaltung über Sagas und Mythen. Und noch einmal so viele wandern zwischen den vielen hohen Videostellwänden umher, auf denen isländische Bürger zu sehen sind, junge und alte, Männer und Frauen, die in Sesseln oder auf Stühlen vor ihren heimischen Bücherregalen sitzen und lesen.

Über Facebook hatten die Organisatoren des Gastlandauftritts die Isländer dazu aufgerufen, sich beim Lesen ihrer Lieblingsbücher filmen zu lassen, und dreißig davon ausgewählt (die Resonanz war riesig). Diese ruhigen, schlichten Filme kann man sich nun den ganzen Tag anschauen. Das hat was, das macht ruhig. Dazu gibt es ein gediegenes Café und einen Raum, in dem man sich komplett in die isländische Natur begeben kann. Umgeben von vier Leinwänden, hat man den Eindruck, beim Vulkanausbruch dabei zu sein, sich mitten in einer Gletscherspalte zu befinden oder bei einem Volkslauf in Reykjavik mitzumachen. Die Box haben die Isländer aus Shanghai mitgebracht, wo sie bei der Expo zu sehen war.

Gar nicht so leicht ist dann, sich aus dieser Wohlfühlatmosphäre in die wuselige, nüchterne Buchmessenrealität der anderen Hallen zu begeben, wo die Verlage ihre Stände haben, zumeist an ihren angestammten Plätzen. Das erleichtert die Orientierung, wobei auffällt, dass die Veränderungen in der Buchbranche und das Treiben auf der Messe in zwei verschiedenen Sphären stattfinden. Allenthalben ist zwar von der Digitalisierung die Rede, von einer fremden, neuen, sich bislang aber vor allem im angloamerikanischen Raum rasant entwickelnden E-Book-Welt, von den Auswirkungen, die diese Entwicklung auf den stationären Buchhandel hat. Ob es demnächst Kaffeetassen oder Spielzeugautos in Buchläden geben soll, das ist so eine Frage. Weil nämlich die sogenannten Lebensstil-Buchkäufer, die gebildeten und gut betuchten, nur noch einen Bruchteil der Kundschaft ausmachen.

Die Buchmesse aber wirkt im Gegensatz zu diesen Debatten wie eine bunte und riesige Marketingmaschine, die „die neue Dimension des Media Entertainment“, „die neueste Technologie an den Hot Spots“ oder im Halbstundentakt eben Bücher und Autoren präsentiert. Da hat eine Daniela Katzenberger ihren vielbesuchten Auftritt, weil die blonde Verona-Feldbusch-Epigonin nun auch unter die Autorinnen gegangen ist. Katzenberger hat sich das Buch „Sei schlau, stell dich dumm“ schreiben lassen, eine Art Biografie. Die bewirbt sie mit gar nicht so dummen Sprüchen: „Meinen Stolz kann man nicht kaufen, den kann man nicht bezahlen und wenn doch, habe ich nie welchen besessen.“

Da wird der Buchpreisgewinner Eugen Ruge von einer Lese- und Fragebühne zur nächsten geschleppt, immer in Begleitung einer Verlagsbetreuerin, lässt das aber gern mit sich geschehen: „Das ist alles gut, ich mache das gern, warum nicht?“, hat er am Abend vorher schon auf der Rowohlt-Party gesagt. Und da wundert man sich schließlich auch gar nicht, dass es in Halle 4 einen weiterhin recht großen Stand des Eichborn Verlags gibt, wo auf etwas schmucklosen Regalen die Eichborn-Bücher dieses Herbstes von Bettina Gaus bis zu Sahra Wagenknecht präsentiert werden. Eichborn? Genau, das ist dieser vermutlich nicht mehr zu rettende Frankfurter Verlag. Er müsste eigentlich größten Zulauf haben, denn es dürfte seine letzte Frankfurter Buchmesse sein.

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