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Das Analoge auf der Kippe? Mit 10 200 umgefallenen Ausgaben des Guinness-Buchs schaffte es die Frankfurter Messe in der Disziplin Buch-Domino diese Woche selber ins Buch der Rekorde.

© dpa

Frankfurter Buchmesse: Der E-Book-Boom ist vorbei

Neueste Analysen deuten darauf hin, dass der deutsche E-Book-Markt nur noch langsam wächst. Die Stimmung in der Branche ist deutlich zuversichtlicher.

Fast kümmerlich wirkt die E-Book-Bilanz des letzten Jahres: Lediglich um 0,4 Prozentpunkte hat der Umsatzanteil am Gesamtbuchmarkt laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels zugelegt, von 3,9 Prozent Marktanteil im Jahr 2013 auf 4,3 Prozent im Jahr 2014. Dabei hatte der Siegeszug des elektronischen Buchs überhaupt erst vor drei Jahren richtig begonnen. Bis 2011 konnten sich die wenigsten deutschen Leser für E-Books erwärmen, unter 1 Prozent machte damals noch der Marktanteil aus. Erst 2012 und 2013 zogen die Zahlen kräftig an, das E-Book schien langsam zum Massenphänomen zu werden. 2014 kauften laut Börsenverein in Deutschland rund 3,7 Millionen Menschen regelmäßig E-Books. Im Schnitt erwarben sie 6,4 Buchtitel pro Jahr.

Ist dieser Boom nun möglicherweise schon wieder vorbei? Und wird sich der Anteil verkaufter E-Books am Gesamtbuchmarkt bei deutlich unter 10 Prozent einpendeln? „Fakt ist, der E-Book-Markt in Deutschland wächst immer noch: Das Interesse der Käufer ist da, Absatz und Umsatz der Privatkäufe steigen“, sagt Claudia Paul, Pressesprecherin des Börsenvereins. „Allerdings hat die Wachstumsdynamik abgenommen. Wir gehen deshalb davon aus, dass auch in der nächsten Zeit der Umsatz mit E-Books weiter wachsen, sich dann aber auf einem bestimmten Niveau einpendeln wird.“ Der Blick ins Ausland zeigt ähnliche Entwicklungen: Auch in den USA, wo der Marktanteil von E-Books bei rund 25 Prozent liegt, wurden in diesem Jahr erstmals Sättigungstendenzen sichtbar. Für den deutschen Markt erwartet der Börsenverein in den kommenden Jahren keine signifikante Verdrängung des gedruckten Buchs: „E-Books werden eine Rolle spielen, aber bei Weitem keine so große, wie vor ein paar Jahren noch von einigen prognostiziert“, meint Paul.

Wo genau sich der Markt einpendelt wird, weiß niemand. Denn um genauere Vorhersagen zu treffen, bräuchte es zunächst verlässliche Daten. Ob aber die 4,3 Prozent Marktanteil, die der Börsenverein ermittelt hat, überhaupt die Realität widerspiegeln, ist unklar. Wer sich in der Branche umhört, bekommt andere Aussagen zu hören. „Wir sehen in unseren Umsatzentwicklungen kein Nachlassen der E-Book-Käufe. Der Umsatzanteil der E-Books an den Gesamt-Buchverkäufen liegt gegenwärtig bei etwa 15 Prozent“, erklärt Martin Spieles, Pressesprecher der S. Fischer Verlage.

Claudia Häußermann, kaufmännische Geschäftsführerin beim Verlag Kiepenheuer & Witsch, ist sich ebenfalls sicher: „Die Entwicklung des E-Book-Marktes in Deutschland ist bei Weitem noch nicht an seinem Ende angelangt.“ Die vermeintliche Stagnation beim Umsatz sei vor allem auf die Neuregelung der Mehrwertsteuer für E-Books zurückzuführen. „Außerdem existieren zunehmend Flatrate-Leih-Modelle und Selfpublishing-Angebote, die mit den Verlagsangeboten um Aufmerksamkeit konkurrieren.“ Trotzdem kann auch Kiepenheuer & Witsch nicht klagen: Der Umsatz mit E-Books macht derzeit 15 Prozent des gesamten Buchumsatzes aus.

Doch wie kommt die massive Differenz zwischen den Zahlen des Börsenvereins und denen großer Publikumsverlage überhaupt zustande? Peter Schmid-Meil, Mitglied des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) beim Börsenverein, führt das vor allem auf methodische Unzulänglichkeiten zurück: „Wir haben tatsächlich noch kein konsistentes Modell, um zu erfassen wie viele E-Books wirklich verkauft werden.“ Der Markt ist unübersichtlich: Da sind einerseits die stationären Buchhandlungen und die großen Onlinehändler, andererseits die zahlreichen Verleih- und Selfpublishing-Plattformen. „Ich bin mir nicht sicher, ob all diese Zahlen in die Statistik einfließen.“ Klagen über Umsatzrückgänge sind Schmid-Meil im letzten Jahr nicht zu Ohren gekommen. Stattdessen spricht er oft mit euphorischen E-Book-Dienstleistern und Distributionsplattformen, die nach eigenen Aussagen jährliche Wachstumsraten von 20 bis 30 Prozent verzeichnen. Viele der Kollegen aus der Branche hätten beim Thema E-Book „ein Grinsen im Gesicht“: „Ich persönlich nehme wahr, dass der Markt weiter wächst. Es kann allerdings sein, dass er an Stellen wächst, die wir mit den aktuellen Methoden gar nicht richtig messen können.“ Dass bald schon das Ende der Fahnenstange erreicht sein könnte – „das glaube ich auf gar keinen Fall.“

Vor allem im Bereich Taschenbuch könnte sich der Markt weiter deutlich zugunsten des E-Books verschieben. Während die Leser für gebundene Bücher und Hörbücher seit Jahren gleichbleibend viel Geld ausgeben, schrumpft das Budget für Taschenbücher, wie eine aktuelle Konsumentenbefragung des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Börsenvereins zeigt. Seit 2008 ist in allen Altersklassen die Bereitschaft gesunken, Taschenbücher zu kaufen. Insgesamt ging der Ausgaben-Anteil um fünf Prozent zurück.

Umgekehrt betonen viele Verbraucher, wie gerne sie E-Books nutzen und dass sie sie mittlerweile auf fast allen heimischen Geräten lesen. Laut einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom liest jeder vierte Bundesbürger mittlerweile digitale Bücher. Das wichtigste Lesegerät für E-Books sei der Laptop, dicht gefolgt von Smartphones und E-Readern. Aber auch auf stationären Computern und Tablets wird geschmökert. Die Vertriebswege sind in den letzten Jahren vielfältiger geworden: Elektronische Bücher werden über vorinstallierte Apps gekauft, in Onlineshops, über Verlagswebseiten oder direkt beim Autor. Sie werden immer öfter in öffentlichen Bibliotheken oder bei kommerziellen Anbietern ausgeliehen, über Flatrates oder werbefinanzierte Plattformen bezogen. Viele Leser schätzen zudem Klassiker, die kostenlos im Internet erhältlich sind.

Bitkom sieht daher glänzende Aussichten für die Zukunft: „E-Books sind heute fester Bestandteil der digitalen Medienwelt und erreichen ein Massenpublikum“, sagt Vizepräsident Achim Berg. Dass der Markt sein Potenzial noch nicht ausgereizt hat, macht der Verband an einer weiteren Zahl fest: Laut der Umfrage können sich 35 Prozent derjenigen, die bislang noch keine E-Books lesen, vorstellen, es in der Zukunft doch zu tun.

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