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Frankfurter Buchmesse: Gesicht wahren!

Der Zensurskandal eskaliert: Auf Druck Chinas lädt die Buchmesse regimekritische Autoren wieder aus.

Es müsste schon ein Wunder geschehen, damit die Frankfurter Buchmesse im Oktober ohne Gesichtsverlust für den Ehrengast China und den Gastgeber Deutschland endet. Denn bereits im Vorfeld eskalieren die Interessenkonflikte: Zu einem China-Symposion an diesem Wochenende hatte die Buchmessenleitung zunächst den exilchinesischen Schriftsteller Bei Ling sowie die regimekritische Autorin Dai Qing eingeladen, um beide wenig später wieder auszuladen – auf Druck Pekings, wie am Donnerstag Messedirektor Jürgen Boos einräumte. Da es sich um eine gemeinsam vorbereitete Tagung handle, habe man „manchen Kompromiss eingehen“ müssen. Boos verteidigte die Entscheidung mit den Worten, man wolle in Frankfurt nun einmal „mit den Chinesen reden, nicht über sie“.

Auf die offen eingestandene Selbstzensur der Messemacher dürfte nun eine ähnliche Debatte folgen, wie sie die Welt bereits 2008 während der Olympischen Spiele erlebte. Der in den USA lebende Bei Ling, der 2000 in China wegen „illegaler Veröffentlichungen“ festgenommen und später ausgewiesen worden war, äußerte sich bestürzt: Erst vor einer Woche sei er gebeten worden, für die Tagung einen Beitrag über Zensur und Selbstzensur vorzubereiten. Am Mittwoch dann habe ihn der Projektleiter „sehr besorgt“ angerufen. „Er sagte, bitte komm nicht“, berichtete Bei Ling. Funktionäre aus Peking und der bekannte chinesische Schriftsteller Mo Yan hätten sich geweigert, in einem Raum mit ihm zu sitzen. Die Messeleitung habe ihn gebeten, lieber im Oktober bei einer anderen Veranstaltung zu sprechen. „Ich kann bis Oktober warten“, sagte Bei Ling, „aber hier geht es um Meinungsfreiheit. Diese Vorfälle sind kein guter Anfang.“

Die Journalistin Dai Qing kündigte derweil an, ungeachtet der chinesischen Boykottdrohung an dem Symposium teilzunehmen. „Wenn die Organisatoren glauben, ich eigne mich nicht als Vortragende, nehme ich aktiv an den Diskussionen teil und stelle meine Fragen“, sagte Dai Qing. Nach ihrer Ausladung durch die Buchmesse springt nun das deutsche PEN-Zentrum ein, um die Reise zu ermöglichen. PEN-Generalsekretär Herbert Wiesner äußerte zudem grundsätzliche Zweifel an Chinas Eignung als Gastland: „Das hätte man bei der Olympiade lernen können“, sagte er. „Vielleicht ist das Land für die Weltöffentlichkeit noch nicht reif.“ müh/dpa

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