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Retter in der Not? Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Ulrich Krebs, auf einer Pressekonferenz am 5. März. Nachdem Frankfurt das Projekt Romantikmuseum gestrichen hat, könnte der Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main einspringen. Romantik ist derzeit Schwerpunkt seiner Förderung.

© dpa

Frankfurter Museumsstreit: Könnte doch ein elendes Nest sein

Brentano zu Goethe: Die Proteste gegen die Absage des Romantik-Museum in Frankfurt am Main werden immer lauter. Im Streit um die schwarz-grüne Sparmaßnahme ist das letzte Wort noch lange nicht gesagt.

Es rumort gewaltig in Frankfurt, der kleinsten Großstadt Deutschlands, die gerne Metropole wäre und es manchmal auch ist. „Es geht“, so sagt es Kulturdezernent Felix Semmelroth, „nicht um irgendein weiteres Museum, es geht um unsere Glaubwürdigkeit als Kulturstandort in Deutschland.“ Und Anne BohnenkampRenken, Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, argumentiert, „dass die Welt sich nicht mit dem Verstand allein fassen lässt“. Was hat sich zugetragen? Eine Provinzposse? Oder eine Entscheidung, die den richtigen Umgang mit dem Erbe der deutschen Geistesgeschichte verhindert?

Um den Streit über das geplante Romantikmuseum und die Empörung zu verstehen, muss man die Vorgeschichte erzählen und die komplizierte kommunalpolitische Situation der Stadt Frankfurt dazu. Seit der Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Februar 2012 in sein neues Domizil an der Braubachstraße gezogen ist, steht das alte, in den 50er Jahren im Zuge der Planung einer autofreundlichen Innenstadt errichtete Gebäude am Großen Hirschgraben leer, in unmittelbarer Nähe der Hauptwache und des Römers. Schön sah es nie aus. Im Cantatesaal, der über den Hinterhof zugänglich ist, hatte das von der Frankfurter Schauspielerlegende Liesel Christ gegründete Volkstheater seit 1975 eine Spielstätte. Das Volkstheater schließt im Sommer nun für immer.

Unmittelbar daneben befindet sich das im Krieg zerstörte und bis 1951 wiederaufgebaute Geburtshaus Johann Wolfgang von Goethes, das eine Bibliothek und eine Dauerausstellung beherbergt, zudem einen Veranstaltungssaal und regelmäßig wechselnde Themenausstellungen. Im Keller des Goethehauses lagern, man kann es nicht anders sagen, wahre Schätze. Briefe, Manuskripte, Bilder und Reliquien, von Eichendorff, Clemens Brentano, Schlegel, Füssli und Caspar David Friedrich. Deshalb sollte das alte Börsenvereinsgebäude abgerissen werden, um „den Gedanken eines Universalkunstwerks“ zu realisieren, so Kulturamtssprecherin Kirsten Grote-Bär. Ein Romantikmuseum sollte entstehen, das sich ans Goethehaus anschließt und Frankfurt als eine Wiege der romantischen Bewegung („ohne den Werther keine Romantik“, heißt es in schöner Wiederholung) endlich ins öffentliche Bewusstsein rückt.

Die mit 16 Millionen Euro veranschlagten Kosten für das Museum sollten geteilt werden. Knapp vier Millionen hat das Freie Deutsche Hochstift bereits an Spenden eingesammelt; jeweils vier Millionen sollten vom Bund, vom Land Hessen und von der Stadt zugeschossen werden. Womit wir bei der Frankfurter Kommunalpolitik angelangt wären: Es muss gespart werden, wie überall. In der Stadtverordnetenversammlung regiert eine schwarzgrüne Koalition, die gerne nach außen hin als neobürgerliches Zukunftsmodell verkauft wird. Die Direktwahl für das Amt des Oberbürgermeisters gewann allerdings im vergangenen Jahr völlig überraschend der bis dahin kaum bekannte SPD-Linke Peter Feldmann. Dessen größtes politisches Verdienst besteht seitdem darin, immer genau dort nicht aufzutauchen, wo man ihn eigentlich erwartet.

Vor knapp zwei Wochen platzte nun die Nachricht ins Frankfurter Kulturleben, dass der Magistrat dem Haushalt nach der Rasenmähermethode eine strikte Sparrunde verordnet hat. Der fallen nicht nur Verkehrs- und Sozialprojekte zum Opfer, sondern auch die Idee eines neuen Volkstheaters (dessen Gebäude bereits im Bau ist) sowie der städtische Millionenzuschuss für das Romantikmuseum. Damit verzichtet die Stadt auch auf das Geld von Bund und Land. Seitdem hat der christdemokratische Kulturdezernent Felix Semmelroth „sehr schlechte Laune“, die Wellen der Empörung schlagen hoch. Das Gerücht, der Magistrat habe sich beim Kulturetat vom gar nicht so kleinen grünen Koalitionspartner unter Druck setzen lassen, hält sich hartnäckig. Pacta sunt servanda.

Möglicherweise hat der Magistrat mit einem derart großen Protest gegen seine Sparentscheidung jedoch nicht gerechnet, abgesehen davon, dass der Betrag für das Museum im Haushalt noch gar nicht festgeschrieben war und mithin nur virtuell eingespart wird. Nicht nur in Frankfurt hagelt es Proteste; auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann ist konsterniert. Man hat noch lange nicht aufgegeben. Frankfurt ist, das ist die positive Seite des kleinstädtischen Ambientes, eine Bürgerstadt, in der man sich kennt.

Oberbürgermeister Peter Feldmann und Kulturdezernent Semmelroth haben nun gemeinsam einen bundesweiten Aufruf an private Förderer und Geldgeber gestartet, um die Museumsvision zu retten; auch der mittlerweile 87-jährige, bestens vernetzte ehemalige Kulturdezernent Hilmar Hoffmann mischt kräftig mit. Der Tenor lautet: „Wenn die Frankfurter Stadtgesellschaft zusammenhält, besteht noch Hoffnung.“ Sonst erfüllte sich rund 200 Jahre später doch noch Goethes Verdikt vom „elenden Nest“, für das er Frankfurt hielt.

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