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Johnny Hallyday

© REUTERS

Frankreichs größter Rockstar ist tot: Rebell und Nationaldenkmal

Anfangs hätte Johnny Hallyday beinahe eine Rock'n'Roll-Revolution ausgelöst. "Hallyday soll Steine klopfen“, schimpfte De Gaulle. Später sang er vor 600.000 Fans am Eiffelturm. Ein Nachruf.

Coolness ist ein anderes Wort für Selbstvertrauen. Schweigen können, Angst aushalten, ein fast buddhistisches Programm. Mit seinem ausgegerbten, wie eingefroren wirkenden Gesicht war Johnny Hallyday 2009 der ideale Held für Johnnie Tos Mafiathriller „Vengeance“. Als ehemaliger Profikiller kehrt er noch einmal aus dem Ruhestand zurück, um den Mord an seiner Tochter und ihrer Familie zu rächen. Der Shootout findet auf einer Mülldeponie statt, über die Zeitungsschnipsel wehen, im Hintergrund erhebt sich die Skyline von Hongkong. Die Angreifer nähern sich im Schutz von Papierballen, eine List wie der bewegliche Wald bei Macbeth. „Warum habt ihr das getan?“, fragt Halliday die Mörder, bevor er sie erschießt. Ihre Antwort gefällt ihm nicht: „Weil wir dafür bezahlt wurden“.

Schnauze und Stimme

Johnny Hallyday, der in der Nacht zum Mittwoch mit 74 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben ist, verkörperte Coolness wie kein anderer Franzose, ausgenommen vielleicht Alain Delon, der eiskalte Engel. Er war der größte Rocksänger des Landes, ein Nationaldenkmal. „Von Johnny Hallyday werden wir weder den Namen, noch die Schnauze oder die Stimme vergessen“, versprach Präsident Emmanuel Macron in seiner Beileidsbekundung.

Gitarre und Grinsen

Halliday, der 1943 als Sohn eines französischen Models und eines belgischen Schauspielers in Paris geboren wurde, begann seine Karriere als Wunderkind. Er wuchs bei einer Tante auf, einer Tänzerin, die schon mit dem Einjährigen und ihren Töchtern als „The Hallydays“ auf Tour ging. „Hello Johnny“ hieß sein erstes Album, das 1960 erschien. Das Cover zeigt den Elvis-Fan als halbstarken Rebellen mit Haartolle, Glitzerjacke und E-Gitarre. Das breite Grinsen: unverschämt. Yé-yés nannte man bald darauf Teeniestars wie ihn, die mit ihren frenetischen Versionen amerikanischer und englischer Hits den Rock’n’Roll nach Frankreich holten. Seine Schluckaufstimme wurde legendär, er übersetzte „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polkadot Bikini“ mit „Itsy Bitsy Petit Bikini“ und sang – der erste Nummer-1-Erfolg – mit starkem Akzent „Let’s Twist Again“.

Autos und Amouren

Wo Hallyday auftauchte, waren die Hallen ausverkauft und die Mädchen schnell ohnmächtig. Bevor er zu „Johnny national“ aufstieg, galt er wegen seiner Alkoholabstürze, Autounfälle und Amouren als abschreckendes Beispiel. Nach einem Konzert randalierten seine Fans 1963 auf der Place de la Nation, zerstörten Geschäfte und attackierten Polizisten. Fast eine Rock’n’Roll-Revolution. „Wenn Hallyday zu viel Kraft hat, soll er Steine klopfen“, schimpfte Präsident Charles de Gaulle. Dessen Nachfolger Jacques Chirac rief bei dem Sänger an, als der sich zu seinem Kokain- und Cannabiskonsum bekannt hatte: „Behalt diesen Scheißdreck für dich, du bist ein Jugendidol.“

Hallyday hat 90 Millionen Tonträger verkauft und Filme mit Henri-Georges Clouzot, Sergio Corbucci und Jean-Luc Godard gedreht. Als er im Jahr 2000 vor dem Eiffelturm ein Konzert zum 40-jährigen Bühnenjubiläum gab, feierten 600000 Zuschauer mit. Lampenfieber? Keine Spur. „Wenn ich auf die Bühne gehe, habe ich keine Angst mehr vor irgendetwas, ich habe Vertrauen“, lautete sein Credo.

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