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Frau in einer Männerdomäne. „Self-Portrait at the Spinet“ (1577) von Lavinia Fontana.

© Prado/Rom, Accademia Nazionale di San Luca/Lancut, Schlossmuseum

Frauen in der Renaissance: Der Prado entdeckt zwei vergessene Malerinnen wieder

Sofonisba Anguissola und Lavinia Fontana waren berühmte Renaissancekünstlerinnen. Doch sie wurden aus der Geschichte gestrichen. Der Prado zeigt ihr Werk.

200 Jahre alt ist der Prado in diesem Jahr geworden, das bei weitem größte und bedeutendste Kunstmuseum Spaniens.

Erbe der unfassbar reichen Sammlungen, die das spanische Königshaus seit den Tagen des manischen Sammlers auf dem Thron, Philipp II., angehäuft hat. Der Prado ist vor allem als Museum der beiden spanischen Meister Velázquez und Goya bekannt.

Darüber werden die außerordentlich reichen Bestände an Malerei der italienischen Hoch- und Spätrenaissance meist übersehen.

Unter den Gemälden dieser Zuordnung finden sich im Prado vier Werke von der Hand von Sofonisba Anguissola (1535-1625). Darunter sind Porträts des erwähnten Philipp II. und seiner vierten Gemahlin, Anne von Österreich. Anguissola malte sie 1573, im Jahr ihres Abschieds von Madrid nach vierzehn Jahren in Diensten des spanisch-habsburgischen Hofes.

Doch sie war nicht Hofmalerin, konnte es als Frau nach den damaligen Vorstellungen nicht werden. Ihr Bildnis des Königs folgt daher dem steifen Vorbild dessen, der diese Position bekleidete, dem außerhalb Spaniens kaum bekannten Alonso Sánchez Coello.

Zwei Frauen in einer männerdominierten Welt

Sofonisba kam zu dem hohen Auftrag, das Herrscherpaar zu verewigen, weil sie Hofdame der Königin war, wie schon zuvor ihre an fünf schweren Schwangerschaften zugrunde gegangene Vorgängerin Elisabeth von Valois.

Diese Künstlerin Sofonisba Anguissola vorzustellen, war das ursprüngliche Ziel der Ausstellung, die der Prado zu seinem 200. Geburtstag ausrichtet. Bald wurde eine weitere Künstlerin dieser Zeit hinzugenommen, die zwei Jahrzehnte jüngere Bologneserin Lavinia Fontana.

Während Anguissola aus dem niederen Adel stammte und dadurch die Chance zum Aufstieg in höchste Kreise hatte, konnte sich Fontana als Tochter eines angesehenen Malers Beachtung verschaffen. Beider Biografien ähneln darin, dass sich die Künstlerinnen als Frauen in einer männlich dominierten Welt durchsetzen mussten und ihnen dies tatsächlich gelang.

Sie wollten der Welt ihr Talent beweisen

Nicht von ihren Zeitgenossen, sondern später erst wurden sie aus der Kunstgeschichte quasi gestrichen. Ihre Gemälde wurden anderen, männlichen Autoren zugeschrieben, die anerkennende Beurteilung, die etwa der große Vasari der Kunst Anguissolas aussprach, schlichtweg unterschlagen.

Um so staunender sieht sich jetzt der Besucher der Madrider Ausstellung insgesamt 65 Gemälden gegenüber, die das Bild der Kunstepoche zwischen Renaissance und Barock ungemein bereichern. Beide Künstlerinnen haben Selbstbildnisse geschaffen, jeweils auch und vor allem als Malerin.

Sie wollten der Welt zeigen, dass sie diese Kunst beherrschten. Zugleich demonstrierten sie ihre stupende Fähigkeit in der Wiedergabe kostbarer, duftiger oder schillernder Stoffe und glänzenden Schmucks, wie es zu ihrer Zeit von der Malerei und deren Kunden verlangt wurde.

„Self-Portrait at the Easel“ (1556-57) von Sofonisba Anguissola.
„Self-Portrait at the Easel“ (1556-57) von Sofonisba Anguissola.

© Prado/Rom, Accademia Nazionale di San Luca/Lancut, Schlossmuseum

Anguissolas Berufsweg führte sie nach ersten Erfolgen als Malerin bald nach Spanien, als Hofdame der Königin Isabella von Valois. In den vierzehn Jahren bei Hofe malte sie Porträts in der steifen, eben „höfischen“ Weise, wie sie vorgegeben war.

Die Lebendigkeit ihrer frühen, nach eigenem Entschluss gemalten Bilder, insbesondere das wunderbare Bildnis ihrer Schwestern beim Schachspiel, durfte sie nun nicht mehr zeigen, dafür ihre ganze Meisterschaft in der Wiedergabe des höfischen Luxus.

1573, im Alter von 38 Jahren, kehrte sie nach Italien zurück und durchlebte Höhen und Tiefen, unter anderem die Ermordung ihres ersten Ehemannes durch Piraten auf einer Seefahrt nahe Capri.

Sie wechselte mehrfach den Wohnort, von Palermo nach Pisa und sodann Genua, schließlich zurück nach Palermo, wo sie, für damalige Verhältnisse außerordentlich hochbetagt, im Alter von fast 90 Jahren verstarb.

Auch erotische Motive

Die Bologneserin Lavinia Fontana hingegen machte Karriere als freie Malerin, ohne höfische Bindung, dafür – außergewöhnlich zu ihrer Zeit – mit eigener Werkstatt, also Gehilfen zur Erledigung ihrer zahlreichen Aufträge.

Fontana versuchte sich in allen Gattungen, im Porträt wie im religiösen und mythologischen Historienbild. Außergewöhnlich ist ihre Darstellung von Judith und Holofernes von 1595, wo die Israelitin in aller Schönheit erscheint, die den assyrischen Feldherrn so erregte.

Interessant ist der Hinweis des lehrreichen Ausstellungskatalogs auf das 1586 erschienene Buch eines Tomaso Garzoni über die Frauen der Bibel, in dem diese als Vorbilder weiblicher Tugenden geschildert werden; Fontana hat sich in ihren Gemälden darauf bezogen.

Gar nicht tugendhaft geht es indessen auf der Darstellung von Mars und Venus zu, einem seit der Renaissance überaus beliebten Sujet zur Darstellung menschlicher Nacktheit – und Begierden. Die nämlich drückt Mars aus, indem er der gerade ins Bett steigenden Venus ungeniert an ihr Hinterteil fasst.

Ein Blockbuster zeichnet sich bereits ab

Welcher Maler hätte das gewagt? Und für einen privaten Auftraggeber schuf Fontana das Doppelporträt seiner Gattin: einmal in geziemendem Kleid, das andere Mal nackt unter einem durchsichtigen Schleier.

Ein Bild für den Hausgebrauch, aber dass es ganz selbstverständlich bei Fontana in Auftrag gegeben wurde, zeigt den Rang und Ruf, den die Malerin in der Gesellschaft Bolognas genoss. Später ging sie nach Rom, wo sie 1609 Papst Paul V. malte – ein Portrait, das in diplomatischer Mission nach Persien ging und heute verschollen ist. 1614 starb sie in der Ewigen Stadt.

Zwei Malerinnen also, deren Werk nun nicht mehr unterschlagen werden kann; und eine Ausstellung, der weitere folgen müssen, um die Auslassungen in der Kunstgeschichte zu füllen. Ein Blockbuster zeichnet sich bereits ab: Im Frühjahr zeigt Londoner Nationalgalerie eine Ausstellung zu Artemisia Gentileschi. Die Reihe großer Künstlerinnen ist lang.

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