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Frauendrama aus Nahost: Damals in Ramallah

Jonathan Sagalls „Odem“ geht es um zwei sich fremd gewordene junge Palästinenserinnen, die zu viel von einander wissen. Zu sehen im Wettbewerb der Berlinale

Alles ist zwiespältig. Zerrissen die Seelen, die Sinne, das Leben von Lara und Inam. Die beiden jungen Frauen kommen aus Ramallah, sind Ende 20 und gebürtige Palästinenserinnen, doch nach ihrer gemeinsamen Schulzeit waren sie als Studentinnen nach England gegangen. Nun, nach einer offenbar längeren Pause, treffen sie in Laras elegantem Vorstadthaus in London wieder aufeinander. Zwei sich fremd Gewordene, die zu viel von einander wissen. Das enthüllt „Lipstikka“ („Odem“) allmählich.

Der in Kanada geborene israelische Regisseur Jonathan Sagall erzählt auf Englisch, Arabisch und Hebräisch eine Geschichte zwischen Teenagerfreundschaft, frühem sexuellen Begehren, zwischen Homo und Hetero, zwischen Palästina, Israel und England. Meist in Nahaufnahmen mit familiären oder intimen Szenen packt Sagall einen Clash der Kulturen und Identitäten in eine ziemlich enge, prall gefüllte (und gefühlte) Psychokiste.

Dabei werden die motivischen Fäden, trotz mancher Unwahrscheinlichkeiten, mit allerlei Rückblenden und wechselnden Erinnerungsperspektiven nicht unraffiniert ausgesponnen und am Ende nochmals mit einer Überraschung verbunden.

Lara lebt mit ihrem längst untreuen britischen Mann und ihrem gemeinsamen siebenjährigen Sohn James als wohlhabende Hausfrau in einer winterkalten Ehe, als die plötzlich auftauchende Inam sie wieder an das Frühlingserwachen der Teenager erinnert. Lara, die junge Muslimin, liebte ihre Freundin nicht nur platonisch und suchte Trost im Wodka, denn die extrovertiertere Inam nahm sich als heißer Feger lieber die Jungs vom Schulhof und von der Straße. Bei einem heimlichen Kinobesuch der beiden in Jerusalem wird dann das Übertreten der Sperrstunde auch zum politisch-erotischen Grenzgang: bei einem traumatisierenden Zwischenfall mit zwei jungen israelischen Soldaten.

Das alles führt zu Verletzungen, Neurosen, Intrigen, unerfüllten Sehnsüchten und einem wechselseitigen Verlust von Vertrauen – und Selbstgewissheit. Freilich wirkt diese Psychodramatik, die den Nahostkonflikt so hintergründig wie überdeutlich benutzt, eine Spur zu kalkuliert, und durch die Augen der Mädchen macht der Film auch den Zuschauer mitunter zum peinlich berührten Voyeur. Doch zugleich lebt „Lipstikka“ von der Präsenz der Protagonistinnen Clara Khoury und Nataly Attiya sowie in den Rückblenden von Ziv Weiner und Moran Rosenblatt als Schulmädchen.

Freitag 15 Uhr (Friedrichstadtpalast) und 20 Uhr (Urania), 20.2., 1 7. 30 Uhr (Urania)

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