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Nicht standesgemäß. Auguste Fürstin von Liegnitz, zweite Ehefrau von König Friedrich Wilhelm III.

© Wolfgang Pfauder, SPSG

"Frauensache" im Schloss Charlottenburg: Das klügere Geschlecht

Frauen waren in Preußen Mittel der Machterweiterung. Per Eheschließung ließ sich friedlich Terrain gewinnen. Einmal verheiratet mussten die adeligen Damen vor allem eins: Kinder bekommen. Doch jetzt zeigt eine große Ausstellung, dass die Herrscherfrauen auch Kultur und Wissenschaft nach Berlin brachten.

Was für ein Los: geboren, um einen männlichen Stammhalter zu gebären. Und wehe, wenn es nicht klappt. Die Frauen eines Adelsgeschlechts stellten immer schon ein beliebtes Thema dar – damals für den Klatsch bei Hofe, heute für die Yellow Press, weniger für die Geschichtsschreibung. Da wird das patriarchale Prinzip bis in die jüngste Gegenwart beibehalten: Meist schreiben Männer darüber, was große Männer machten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten versucht nun eine Revision des alten Bildes. Mit ihrer großen Ausstellung „Frauensache. Wie Brandenburg Preußen wurde“ im Theaterbau des Charlottenburger Schlosses befriedigt sie beide Seite: die Neugier und den historischen Nachholbedarf, die Herz-Schmerz-Geschichten und den sachlichen Erkenntnisgewinn.

Dafür haut die Schlösserstiftung auch auf die Pauke, gibt sich populär. Den Weg durch den Charlottenburger Park entlang der Orangerie bis zum Langhansbau, in dem bis vor dem Umzug auf die Museumsinsel noch das Museum für Vor- und Frühgeschichte residierte, säumen unbesetzte magentafarbene Podeste. Die Leerstellen sind bewusst platziert. Gäbe es eine Gerechtigkeit, müssten darauf die diversen Luisen, Elisabethen, Annen stehen. Denn ohne sie hätte das Land nie den Aufstieg zu einem der bedeutendsten Staaten Europas geschafft. Gewiss, ohne sie als Mütter der Thronnachfolger ging es nicht. Aber darüber hinaus haben die Frauen der Hohenzollern, deren Herrschaft in Berlin und Brandenburg vor genau 600 Jahren begann, wesentlich zu Bedeutung, Erscheinungsbild, kultureller Prägung beigetragen. Bis auf Ausnahmen blieben sie bis bislang ungewürdigt.

Heirat als Mittel der Außenpolitik

Die Eheschließung war für ein Geschlecht das friedlichste Mittel der Terrainerweiterung, Heirat galt als opportunes Instrument der Außenpolitik. Das Plakat der Ausstellung ziert deshalb nicht von ungefähr die „Dame“ eines Schachspiels. Die Frauen der Hohenzollern wurden stets strategisch verheiratet. Nicht der Erfüllung einer Liebe, sondern dem Nutzen der Dynastie hatte die Verbindung zu dienen. Das ging so weit, dass die Hochzeitsgesellschaft dem frisch vermählten Paar bis zum so genannten Beischlaflager folgte, um es dort gebührlich zu verabschieden.

Das 1706 eingeweihte Paradebett Friedrichs I. aus Schloss Charlottenburg, frisch restauriert und seit dem Zweiten Weltkrieg erstmals wieder ausgestellt, erzählt mit seinen reichhaltigen silbernen Tressen auf dem gelben Damast von dem Druck, der auf den Protagonisten lastete. Hier musste es passieren, die Kreuzung zweier Blutlinien.

Die edle Schlafstatt steht am Ende einer ganzen Phalanx von Tauf- und Hochzeitsgeschenken: ein mit Silbermünzen besetzter Bierhumpen, eine mit Lapislazuli verzierte Kaminuhr, ein goldener Taufpokal. Die Leihgaben kehren aus ganz Europa nach Berlin zurück. Die Hohenzollern wussten ihre Fäden in alle Himmelsrichtungen zu spinnen, bis nach Mantua zum Hof der Gonzaga.

Auf den berühmten Fresken von Andrea Mantegnas in der Camera degli Sposi im Palazzo Duccale von Mantua ist als Stammmutter Barbara von Brandenburg abgebildet, die ebenso geschickt ihre eigene Kinder zu verheiraten verstand. Ihre Tochter Paola erhielt zur Hochzeit acht Brauttruhen, die sie zu ihrem Ehemann über die Alpen mit nach Kärnten nahm.

Frauen als Zierde und Anhängsel

Die erhaltene Schauseite eines Exemplars zeigt eine Szene aus dem Leben des römischen Kaisers Trajan, der auf Bitten einer Frau Gerechtigkeit walten lässt. Am Ende wird der Täter wiederum auf Intervention der Frau begnadigt. Die Frauen waren der gute Geist, die schöne Zier und würdige Repräsentantin, wie der opulente, rotsamtene Krönungsmantel der preußischen Königin und späteren deutschen Kaiserin Augusta mit seiner viereinhalb Meter langen Schleppe zeigt, den sie 1861in Königsberg trug.

Bedeutung erlangten die Damen allerdings erst, wenn sie dem Haus einen Thronfolger schenkten, auf dessen Erziehung sie Einfluss nehmen konnten oder den sie vertreten durften, wenn es durch den frühen Tod des Vaters bis zur Volljährigkeit ein Interregnum gab. Meldete sich partout kein Nachwuchs, blieb auch die Regentin ihrem neuen Zuhause eine Fremde, wie es der heimwehkranken Elisabeth von Bayern geschah, der Friedrich Wilhelm IV. zum Trost ein Bayerisches Haus entwerfen ließ, dazu ein KPM-Service mit alpenländischen Motiven.

Im Fall von Sophie Dorothea rief das Volk sogar nach Scheidung, denn die selbstverständlich der Frau zur Last gelegte Kinderlosigkeit geriet zur Staatsaffäre. Ganz Europa wartete darauf, dass Friedrich Wilhelm I. ohne Nachfolger verstarb und somit sein Erbe aufgeteilt werden würde. Als Nachweis ihrer Fruchtbarkeit ließ die bedrängte Gattin daraufhin ihre zwei früh verstorbenen Kinder als Wachsfiguren nachbilden und in der Kunstkammer ausstellen, angezogen mit Kleidchen, die sie zu Lebzeiten getragen hatten.

Das Damastkleid, die Strümpfchen, die kleine Schuhe in der Vitrine zeigen Abnutzungsspuren, die noch heute den Betrachter das Herz zusammenziehen lassen, das eigens für die Ausstellung restaurierte Wachsgesicht des kleinen Prinzen umspielt ein wehmütiger Ausdruck. Für Sophie Dorothea ging die Geschichte doch noch gut aus, denn sie brachte nach dem zunächst kränklichen Friedrich II. schließlich noch drei weitere Söhne zur Welt und sicherte damit die Linie.

Eine Königin als Bismarcks Gegenspielerin

Ganz will es der hervorragend inszenierten Ausstellung mit ihren über 300 Objekten also nicht gelingen, das Image von der „Frau an seiner Seite“ zu revidieren, zu stark stehen die Heiratspolitik, die Nachwuchssicherung und die sich zu ihrer Stammfamilie zurücksehnende Gattin im Vordergrund. Vergeblich versuchten Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach und später ihre englische Schwiegertochter Victoria ihre Ehemänner zu beeinflussen und gegen Bismarcks Militärpolitik den Liberalismus in Stellung zu bringen. Eine „Familienaufstellung“ der Büsten aller fünf Protagonisten zeigt es nur allzu deutlich: die Frauen zuunterst, in der Mitte die Monarchen, in der obersten Reihe der „Eiserne Kanzler“.

Und doch gelangten mit dem weiblichen Import häufig auch neue Ideen an den Hof. Katharina von Brandenburg ließ den Botanischen Garten anlegen, gründete als Teil einer Armenfürsorge die Hofapotheke, von der ein bronzener Riesenmörser zeugt. Sie stößt damit die wissenschaftliche Entwicklung an, diese erste medizinische Institution Berlins ist Ausgangspunkt der heutigen Forschungsmetropole. Kurfürstin Luise Henriette bringt aus ihrer niederländischen Heimat Fayence-Maler mit, die eigene Manufakturen gründen. Sophie Charlotte macht das damals noch nicht nach ihr benannte Schloss Lietzenburg zum Musenhof und lässt Giovanni Battista Bononcini dort die Oper „Polyphemo“ uraufführen, der Beginn der Opernstadt Berlin.

Kokett sagt Kulturstaatssekretär Tim Renner deshalb zur Eröffnung der Ausstellung, ohne Sophie Charlotte hätte er seinen Job nie bekommen. Die Frauen der Hohenzollern bringen Kultur und Wissenschaft als „weiche“ Faktoren ein, die sich heute für Berlin längst als „harte“ bewähren und Rendite erbringen. Der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Hartmut Dorgerloh, geht deshalb fest davon aus, dass die mit knapp zwei Millionen geförderte Ausstellung ihr Geld allemal einspielt. Sie würde damit die Folgeausstellungen sichern.

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