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Das Freiburger Barockorchester

© Annelies van der Vegt

Freiburger Barockorchester: Zwischen Verlorenheit und Glück

Das Freiburger Barockorchester erinnert mit einem tollen Programm im Kammermusiksaal daran, dass wir uns gerade in einem Telemann-Jahr befinden.

In Berlin hat man vom Georg-Philipp-Telemann-Jahr bisher wenig mitbekommen. Magdeburg, der Geburtsort des Barock-Komponisten und dessen zentrale Wirkungsstätte Hamburg haben in dieser Hinsicht mehr zu bieten. Da kommt das Gastspiel des Freiburger Barockorchesters gerade recht. Das weltberühmte Ensemble feiert zurzeit den 30. Jahrestag seines eigenen Bestehens und widmet das erste Spielzeit-Konzert seines beliebten Zyklus im Kammermusiksaal der Philharmonie ganz dem vor 250 Jahren gestorbenen Telemann.

In Auszügen aus dem zweiten Teil der berühmten Tafelmusik können selbst die großartigen Freiburger unter der Leitung ihres Konzertmeisters Gottfried von der Goltz den Eindruck nicht ausräumen, dass diese Werke gelegentlich zu formatierten Ausdruckscharakteren neigen; der Wechsel zwischen festlicher Stimmung in punktiertem Rhythmus, getragenen und virtuosen Sätzen wirkt auf die Dauer absehbar. Der Rest des Programms ist allerdings wirklich aufregend. Im gerade in den langsamen Sätzen magisch leuchtenden d-Moll-Konzert für zwei Chalumeaux (Vorläufer-Instrumente der Klarinette), Streicher und Basso Continuo zeigen die Solisten Lorenzo Coppola und Tindaro Capuano ein traumwandlerisch sicheres Zusammenspiel.

Im zweiten Teil des Konzerts folgt die Sopran-Kantate „Ino“. In der von Telemann vertonten Episode aus der antiken Mythologie flieht Ino, Schwester der Jupiter-Geliebten Semele, mit ihren Söhnen vor dem mit Wahnsinn geschlagenen Ehemann Athamas bis ans Meer, wird gerettet und zum guten Schluss in die Göttin Leukothea verwandelt. Außerordentlich gelingt Telemann die Beschwörung von Naturstimmungen, wie im wunderbar instrumentierten Wellenschlag des Meeres, erstaunlich ist die Variabilität musikalischer Affekte. Die orchesterbegleiteten Rezitative lassen in ihren abrupten Stimmungswechseln bereits an die Da-Ponte-Opern Mozarts denken; jedenfalls wenn sie so geistesgegenwärtig und pointiert ausgeführt werden wie vom Freiburger Barockorchester. Die englische Sopranistin Carolyn Sampson beweist mit hervorragender deutscher Diktion, beseelten, fast vibratolosen Tönen und einem zwischen Angst, Verlorenheit, Erleichterung und Glück wechselnden Ausdruck, dass sie in diesem Repertoire keine Konkurrenz fürchten muss.

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