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Kultur: Freiheit, schöner Götterfunken In Cottbus wird ein Knast zur Gedenkstätte

Das dürfte weltweit wohl einmalig sein: Ehemalige Insassen kaufen das Gefängnis, in dem sie eingesperrt waren! Das 1860 eröffnete Cottbuser Zuchthaus wurde zu DDR-Zeiten bewusst als Devisenbeschaffungsanstalt missbraucht.

Das dürfte weltweit wohl einmalig sein: Ehemalige Insassen kaufen das Gefängnis, in dem sie eingesperrt waren! Das 1860 eröffnete Cottbuser Zuchthaus wurde zu DDR-Zeiten bewusst als Devisenbeschaffungsanstalt missbraucht. Hierher wurden vor allem politische Gefangene gebracht, die man dann von der Bundesrepublik „freikaufen“ ließ. Rund 100 000 D-Mark zahlte der Westen pro Kopf, ein einträgliches Geschäft für den Arbeiter- und Bauernstaat. Durchschnittlich rund 40 Prozent der Cottbuser Insassen waren Akademiker, Leute wie der Atomphysiker Gabriel Berger, der 1975/76 einsaß, weil er öffentlich auf die Einhaltung der Menschenrechte in seiner Heimat gepocht hatte.

Seit 2007 engagiert sich Berger mit anderen Ehemaligen in einem Verein: In einer wahrlich außergewöhnlichen Aktion des bürgerschaftlichen Engagements haben sie 2011 das 22 000 Quadratmeter große Areal erworben und anschließend zu einer Gedenkstätte umgebaut. Sie wollten den Ort in Besitz nehmen, nicht mehr nur als Opfer auf das seit 2002 leer stehende Gebäude starren.

Am heutigen Dienstag nun wird das „Menschenrechtszentrum Cottbus“ eröffnet, mit einer Dauerausstellung, die in Anspielung auf den Blick aus den Zellenfenstern „Karierte Wolken“ heißt und anhand von 28 Biografien das Schicksal politischer Gefangener aus beiden deutschen Diktaturen zeigt. Denn auch die Nationalsozialisten haben in Cottbus Menschen weggesperrt, die sich ihre Meinung nicht verbieten ließen.

Aus dem Zuchthaus soll eine lebendige Erinnerungs- und Begegnungsstätte werden. Für Juni 2014 plant das Menschenrechtszentrum darum ein „Freiheits- und Demokratiefest“, dessen Höhepunkt eine „Fidelio“-Aufführung im Innenhof bilden wird. Nicht allein der Handlungsort von Beethovens einziger Oper – ein Gefängnis in Sevilla – macht die Produktion so symbolträchtig. Sondern auch die Tatsache, dass in DDR-Gefängnissen das Singen grundsätzlich verboten war. Vom 28. Juni bis 12. Juli wird „Fidelio“ sieben Mal über die Freiluftbühne gehen, an jedem Abend stehen 1000 Sitzplätze zur Verfügung, Kooperationspartner des Menschenrechtsvereins ist das Staatstheater Cottbus, die letzte Bühne Brandenburgers, die noch über eine eigene Musiktheatersparte verfügt.

„Als ich das Gelände zum ersten Mal besucht habe, wusste ich sofort, dass wir hier kein Bühnenbild brauchen“, erzählt Intendant Martin Schüler. „Die Gebäude sind selber schon eine bedrückende, beeindruckende Kulisse.“ Schüler will das Revolutionsdrama als allgemeingültige Parabel zeigen, erst mit dem glücklichen Finale, wenn die Gefangenen aus den Klauen des despotischen Gouverneurs befreit werden, soll es einen optischen Sprung ins Heute geben. Generalmusikdirektor Evan Christ dirigiert das Philharmonische Orchester des Staatstheaters, der hauseigene Chor wird um diverse Laienensembles erweitert. „Dieses Projekt passt ideal zu unserer Programmlinie, mit dem Theater an ungewöhnliche Orte in der Stadt zu gehen“, schwärmt Martin Schüler. Bleibt nur zu hoffen, dass der Sommer 2014 wieder so gut wird wie in diesem Jahr. Frederik Hanssen

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