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Kultur: Freischwimmer

Der Berliner Maler Bernd Koberling feiert seinen 70. Geburtstag mit einer Schau in der Galerie Crone

Während sich das Kunst-Berlin noch von seiner strapaziösesten Woche des Jahres erholt – Art Forum, die vier Satellitenmessen, Einweihung der Temporären Kunsthalle, eine Vernissage nach der anderen und diverse Kunstpreis-Partys –, wird in der Galerie Crone schon wieder angestoßen. Bernd Koberling feiert seinen siebzigsten Geburtstag mit einer Ausstellung. Die zeitliche Verzögerung dieses Ereignisses nach dem großen Auflauf aber passt, denn nun schauen die Besucher wieder genauer hin, müssen sie nicht mehr von Ereignis zu Ereignis hasten. Die Bilder des Berliner Malers brauchen allerdings auch die konzentrierte Aufmerksamkeit, sie erschließen sich nicht sogleich. Sie sind ein zartes Pflänzchen inmitten der Stadt, eine Ode an die Natur, wo sich sonst nur eine Hausfassade an die andere reiht.

Koberling selbst ragt wie ein Urgestein in die hiesige Kunstlandschaft. Berlin, die Malerstadt, das war einmal; heute ist sie Drehscheibe für internationale Stars. Aber der gebürtige Berliner ist immer noch da und malt. Hier hat er an der Hochschule der Künste studiert, hier seine Kochlehre auf dem Aussichtslokal des Funkturms absolviert. Hier hat er in den sechziger Jahren zur legendären Produzentengalerie Großgörschen gehört und in den Achtzigern den Rummel um die Neuen Wilden – Salomé, Fetting, Hödicke – miterlebt, auch wenn er nie zum innersten Kern der Moritzplatz-Boys zählte. Hier hat er seit 1988 bis noch vor kurzem an der Universität der Künste gelehrt und damit Generationen von Studenten geprägt.

Und doch ist Berlin nur die eine Seite seines Lebens, denn die Hälfte des Jahres lebt Bernd Koberling in der isländischen Bucht Lodmundafjördur, wohin man nur auf komplizierten Wegen über Wasser und Land gelangt. In dieser Natureinsamkeit, diesem Arkadien des Nordens lädt er jedes Mal die künstlerische Batterie wieder auf.

Davon erzählen Koberlings Bilder. Die 20 bei Crone ausgestellten Werke sind alle in diesem Jahr entstanden: die kleineren (4200 bzw. 5600 Euro) auf Büttenpapier kommen aus der direkten Anschauung, sie sind plein air gemalt; die größeren (27 500 bzw. 37 000 Euro) stammen aus dem Kreuzberger Atelier, wo sie Schicht um Schicht auf einen mit Kreide grundierten Holzgrund aufgetragen werden. Es wächst und gedeiht auf diesen Bildern, dass es eine Freude ist: Blumen, Moose, Gräser sprießen in Aquarell und Acryl, zugleich transparent und in starken Farben, als zarte Schlieren und dunkle Lachen. Der Naturbezug ist stets deutlich zu erkennen, den scheinbar willkürlich entstandenen Formationen haftet selbst etwas organisch Gewachsenes an. Trotzdem ist Koberling weit davon entfernt, ein Landschaftsmaler zu sein. Vielmehr stößt er sich von der vorgefundenen isländischen Vegetation aus ab, um in ungesehene Landschaften, zu einer neue Abstraktion zu gelangen.

Das spannungsreichste Terrain dieser poetischen Werke sind gerade die freigelassenen Zonen. Der Maler bläst, treibt mit unterschiedlich großen Pinseln die Farbe zu einem Gespinst aus roten, gelben, violetten, grünen Fährten und Inseln über den weißen Grund. Einerseits herrscht das Prinzip des Zufalls, andererseits wird die Spur der fließenden Farbe gelenkt. Damit reiht sich Koberling in die große Tradition der Surrealisten, auch wenn er selbst das vermutlich nicht so sieht. „Der Malhorizont ist auch ein Bewusstseinshorizont“, hat er einmal gesagt. In seinen Bildern hat er sich schon lange freigeschwommen vom Reglement des Marktes. Wer weiß, wenn er weiter so malt, könnte irgendwann die Naturpoesie auch bei anderen Malern wiederkehren. Bernd Koberling geht derweil im hohen Norden angeln.

Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Straße 26, bis 20. 12.; Mo-Fr 10-18, Sa 11-18 Uhr.

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