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Fremde Kulturen: Alles ist Wechselwirkung

Wie gehen wir mit fremden Kulturen um? Eine Tagung in Vorbereitung zum Humboldt-Forum.

Drei Tage wurde in Dahlem über die Rolle der ethnologischen Museen im Allgemeinen und mögliche Ausstellungskonzepte im geplanten Humboldtforum auf einer internationalen Konferenz diskutiert, da fällt dieser Satz. Als alle Museumsdirektoren und Kuratoren aus Berlin, Indien, Kanada, USA und Ägypten bei der Abschlussdiskussion auf der Bühne sitzen, schlägt der indische Teilnehmer Ganesh Devy dem Berliner Ethnologischen Museum vor: „Am besten bringen Sie alle Objekte dorthin zurück, wo sie herkommen.“ Vereinzelter, überraschter Applaus im Publikum. Kommentiert wird diese Forderung im Plenum jedoch nicht. Sie trifft den Kern des Problems völkerkundlicher Museen in Europa. Ihre Geschichte ist Kolonialgeschichte.

Erst kürzlich ist die Afrika-Abteilung in Dahlem um vier Ausstellungen erweitert worden, darunter ein Raum zur Kunst und Kultur des Königreichs Benin. Das Ethnologische Museum besitzt eine der größten Sammlungen dieser Art. Ende des 19. Jahrhunderts nahmen englische Kolonialherren Kunstschätze im großen Stil nach London mit, wo sie auf dem Kunstmarkt und in den europäischen Museen landeten. Auch in Berlin. Darauf aufmerksam zu machen, ist ein erklärtes Ziel des Ethnologischen Museums. „Das darf man nicht verstecken“, sagte die Direktorin Viola König auf der Tagung.

Der Besucher nimmt fremde Kulturen in dem Blickwinkel wahr, den der Ausstellungsmacher ihm liefert. „Die meisten ethnologischen Museen können nur zwei bis drei Prozent ihres Gesamtbestandes der Öffentlichkeit zeigen“, gab Stephen Inglis, Kurator des Canadian Museums of Civilization, zu bedenken. Allein die Auswahl der Objekte ist also nur noch ein Ausschnitt der Realität. Wie viel erklärende Worte werden dazu angeboten? Sollen die Räume nach Themen oder Regionen geordnet werden? Solche Fragen stellen sich Kuratoren.

Ziel der Tagung war nun, Ideen für neue Ausstellungskonzepte zu sammeln. „From Imperial Museum to Communication Center?“ hieß daher das Motto, als Frage formuliert. Denn eine richtige und eine falsche Lösung wird es wohl nicht geben. Zu diesem Ergebnis kamen die Berliner Ethnologen und Religionswissenschaftler Lida Guzy, Rainer Hatoum und Susan Kamel. Sie hatten als Schlusspunkt zu ihrem Forschungsprojekt über alternative Museumskonzepte zur Tagung internationale Gäste eingeladen. Ihre Forschungsreise haben sie in der kleinen Ausstellung „Museumsinseln“ im Ethnologischen Museum und einem dazu erscheinenden Katalog zusammengefasst.

Das Prinzip der Ausstellung wie der Konferenz: Lernen von den Anderen. Denn außerhalb Europas hat man sein Bild vom klassischen Museum schon revidiert. Und so wurden den Zuhörern Modelle vorgestellt, in denen Museen Orte des Austauschs sind. Keine Forschung über das Fremde, sondern mit dem Fremden. Das Koptische Museum in Kairo etwa zeigt Zeugnisse des Christentums in Ägypten und bietet Kinder-Workshops für Muslime und Christen an. Das Nubische Museum im südägyptischen Assuan ist ein sogenanntes Community-Museum. Dahinter steckt die Idee, dass Angehörige der Ethnie sich an Ausstellungen aktiv beteiligen oder kuratieren und so selbst über die Interpretation ihres Kulturerbes entscheiden. Das Nubische Museum entstand 1997 auf Initiative der Unesco als Wiedergutmachung, weil der Bau eines Staudamms große Teile der Kulturschätze dieser Volksgruppe zerstörte. Das Museum bietet Tanz-Folkloreabende und Informationsveranstaltungen zu aktuellen Problemen an, die sich nicht nur an Touristen, sondern vor allem an die eigene Gemeinschaft richten. Auch das Navajo Nation Museum in Windrock im US-Staat Arizona lebt von und mit der „Community“, den Indianern. Was können die Berliner Museumsleute nun für sich daraus ziehen?

Mut zu Experimenten. Eine Verortung in der Gegenwart. Ein reger Austausch mit Menschen, die Teil der Kultur sind. Der erste Schritt ist mit einer Ausstellung zeitgenössischer afrikanischer Kunst in Dahlem in diese Richtung gemacht worden. Viola König zitierte in ihrem Vortrag Alexander von Humboldt: „Alles ist Wechselwirkung.“ Eine Frage werde daher zukünftig verstärkt zu stellen sein: Was für Konsequenzen hatte es, als die Europäer auf den anderen Kontinenten auftauchten? Die Weltkulturen als ein großes Ganzes verstehen, nicht als das Fremde.

„Museumsinseln“, Ausstellung zum Forschungsprojekt, bis 4.11., Ethnologisches Museum Dahlem, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa+So 11-18 Uhr

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