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Kultur: Freud und Leid

Fast jeder deutschsprachigen Operndiva kommt irgendwann der Stoßseufzer über die Lippen: Wie gern sänge sie mal eine Traviata, Norma oder Tosca, aber leider würden alle großen Häuser nur Mozart, Strauss und Wagner von ihr verlangen. Tatsächlich ist die Besetzung von Opernrollen mit möglichst muttersprachlichen Sängern seit Beginn des Opern-Jetsets ein Hauptkriterium, durch das sich international ausgerichtete Bühnen von der so genannten Provinz absetzen wollen: Von New York bis Paris werden für Wagner vorzugsweise deutsche oder skandinavische Sänger, für Verdi und Puccini möglichst Italiener oder Spanier aufgeboten.

Fast jeder deutschsprachigen Operndiva kommt irgendwann der Stoßseufzer über die Lippen: Wie gern sänge sie mal eine Traviata, Norma oder Tosca, aber leider würden alle großen Häuser nur Mozart, Strauss und Wagner von ihr verlangen. Tatsächlich ist die Besetzung von Opernrollen mit möglichst muttersprachlichen Sängern seit Beginn des Opern-Jetsets ein Hauptkriterium, durch das sich international ausgerichtete Bühnen von der so genannten Provinz absetzen wollen: Von New York bis Paris werden für Wagner vorzugsweise deutsche oder skandinavische Sänger, für Verdi und Puccini möglichst Italiener oder Spanier aufgeboten.

Wer eine Stimme besitzt, die nicht zur Musik seines Heimatlandes passt, hat es nach wie vor schwer und muss erleben, dass weit schlechtere Sänger um der vermeintlichen Authentizität willen vorgezogen werden. Wie fragwürdig diese Stereotypen sind, sieht man schon allein daran, dass es unter Sängern lange gang und gäbe war, für ein gutes Engagement den Namen einfach zu italianisieren – Hauptsache, das Publikum glaubte, echt südländisches Temperament zu erleben.

Umso lobenswerter ist es, dass die Lindenoper sich nun traut, zwei der Herzstücke der italienischen Oper mit deutschsprachigen Sängerinnen zu besetzen. Das Wohltuende an Christine Schäf ers Traviata beispielsweise ist gerade das Fehlen der üblichen Rollenklischees: Statt auf die Tränendrüsen zu drücken, vollzieht Schäfer, passend zu Peter Mussbachs kühler Inszenierung, lakonisch das Scheitern einer modernen Frau nach. Eine Violetta wie gemacht für das Freud-Jahr (heute sowie am 27. Mai, 1., 9. und am 24. Juni).

Was allerdings Silvana Dussman ns Norma angeht, dürfte es derzeit wohl kaum irgendeine andere Sängerin geben, die diese Rolle sängerisch und emotional so mitreißend gestaltet. In Dussmanns erster Norma-Serie in der letzten Spielzeit ereignete sich jedenfalls das, wovon alle Opernfans träumen: Dass die Grenzen zwischen Rolle und Interpret aufgehoben und Leid, Zorn und Schmerz ganz unmittelbar erlebt scheinen. Sowohl alle anderen Sänger auf der Bühne wie auch das Publikum wurden von diesem ungeheuren Furor angesteckt, und selbst die belanglose Inszenierung spielte mit einem Mal überhaupt keine Rolle mehr (25. und 29. Mai).

Jörg Königsdorf

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