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Kultur: Freund Brecht

"Ich suche einen Freund, den ich respektieren kann", notierte Hanns Eisler 24jährig in sein Wiener Tagebuch.Bert Brecht wurde dieser Freund.

"Ich suche einen Freund, den ich respektieren kann", notierte Hanns Eisler 24jährig in sein Wiener Tagebuch.Bert Brecht wurde dieser Freund.Mit ihm verband den Schönberg-Schüler eine lebenslange fruchtbare Künstlerbeziehung, die man getrost in eine Reihe stellen kann mit den großen Arbeitsgemeinschaften der Vergangenheit: Lully-Quinault, Mozart-Da Ponte, Strauss-Hofmannsthal.Sylvia Anders und Heiner Neumann stellen die nicht ganz unproblematische Freundschaft in den Mittelpunkt ihrer Collage aus Songs, Gedichten, Tagebuchaufzeichnungen und Kammermusik "In der Sache Hanns Eisler", die nach Gastspielen in den USA und Wien in der Kulturbrauerei ihre letzten Aufführungen erlebte.Den Beginn machen naturgemäß die großen kritischen Balladen: von der belebenden Wirkung des Geldes, von der Judenhure Marie Sanders, vom Wasserad.Hier fanden die unterschiedlichen Temperamente kongenial zu künstlerischer Einheit.Eisler hatte den dialektischen Denkvorgang Brechts in einfache Töne gefaßt, die nicht einlullen, sondern den Gedanken noch klarer, schärfer, überzeugender konturieren und damit zur Tat aktivieren sollten.Sylvia Anders singt das breitbeinig in einer Mischung aus ätzender Deklamation, reicher Mimik und schwingendem Legato.Äußerlich erinnert sie in ihrem grauen Hosenanzug an Gisela May, stimmlich an die Sopranistin Irmgard Arnold, Eislers Interpretin in der DDR.

Ließ sich Eisler mit Wiener Konzilianz rückhaltlos auf Brecht ein, so reagierte dieser mit menschlicher Sympathie auf den Freund, künstlerisch teilweise aber mit Distanz und Unverständnis auf dessen Bemühungen im Bereich einer nicht funktionsgebundenen Musik.In den von Heiner Neumann mit klar geformter Diktion vorgetragenen Auszügen aus dem Arbeitsjournal der kalifornischen Exiljahre 1942-1944 rationalisierte Brecht diese Distanz zu einer empfindlichen Aversion gegen Eislers verehrten Lehrer Arnold Schönberg.Die von Schönberg und Bach geprägte Seite von Eislers Schaffen kam mit den großartigen "14 Arten den Regen zu beschreiben" (1941), dem Praeludium und Fuge über B-A-C-H für Streichtrio (1936) und den Klavierstücken op.3 (1923) in der intensiven Darstellung durch das Merlin Ensemble Wien zu ihrem Recht.Ohne deren Verpflichtung auf Kürze und Sachlichkeit wäre Eislers Songstil undenkbar.Brecht hat das wohl nie begriffen.

BORIS KEHRMANN

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