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Friedenspreis des Buchhandels: Ehrung für Orhan Pamuk

Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk hat am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen.

Frankfurt/Main - Bei der Preisverleihung warb Pamuk (53) eindringlich für eine umfassende europäische Einbindung der Türkei. Europa dürfe das «Friedensangebot» der Türkei nicht ausschlagen. In seiner Heimat wird Pamuk, der international bekannteste türkische Autor, unter anderem wegen seiner Kritik an der Kurdenpolitik angefeindet.

Einige Politiker in Europa und Deutschland nutzten die seit Anfang Oktober laufenden Verhandlungen für einen EU-Beitritt der Türkei zur Stimmungsmache gegen sein Heimatland, kritisierte Pamuk. «Die Art und Weise, in der bei der letzten Bundestagswahl von manchen Politikern auf Kosten der Türkei und der Türken Wahlkampf betrieben wurde, finde ich nicht weniger gefährlich als das Gebaren mancher türkischen Politiker, die gegenüber dem Westen und Europa gerne auf Konfrontationskurs gehen», sagte Pamuk.

Wenn eine Türkenfeindlichkeit in Europa geschürt werde, «führt (dies) leider dazu, dass sich in der Türkei ein europafeindlicher, dumpfer Nationalismus entwickelt». Die Türkei müsse in Europa einen Platz haben, «wenn Europa vom Geist der Aufklärung, der Gleichheit und der Demokratie beseelt ist», forderte Pamuk. Europa definiere sich nicht über das Christentum, sondern über den Individualismus.

«So wie ich mir keine Türkei vorstellen kann, die nicht von Europa träumt, so glaube ich auch nicht an ein Europa, das sich ohne die Türkei definiert», erklärte Pamuk unter Beifall. Der «Prozess des Wartens und Hoffens und der uneingelösten Versprechen» müsse für die Türkei ein Ende haben.

Der Istanbuler Schriftsteller muss sich im Dezember wegen Herabsetzung des Türkentums vor Gericht verantworten. Pamuk hatte in einem Interview im Februar dieses Jahres von den Massakern an einer Million Armeniern im Jahr 1915/1916 im damaligen Osmanischen Reich sowie von der Ermordung von 30 000 Kurden in der Türkei gesprochen. Auf der Frankfurter Buchmesse hatte Pamuk am Samstag erklärt, dass er zu diesen Äußerungen stehe und dafür in dem Verfahren die Verantwortung übernehmen werde.

In seiner Laudatio auf Pamuk würdigte der Lyriker und Übersetzer Joachim Sartorius den Schriftsteller und dessen Literatur als «Glücksfall». Pamuk könne den Deutschen die noch immer so fremde Türkei erklären. «Die sonst darüber reden und berichten, verfolgen alle bestimmte Interessen», sagte Sartorius an die Adresse von Politikern, Militärs und Historikern. «Der Schriftsteller ist der einzige, der uns mit diesem Land vertraut macht.» Zugleich erhebe Pamuk mutig und unerschrocken seine Stimme und verlange von seinem Land Aufrichtigkeit.

Der Börsenverein hatte die Verleihung des Preises an Pamuk damit begründet, dass dieser wie kein anderer Dichter den historischen Spuren des Westens im Osten und des Ostens im Westen nachgehe. Zu den rund 700 Gästen des Festaktes gehörten Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU-Politiker Wolfgang Schäuble und der noch amtierende Finanzminister Hans Eichel (SPD). Mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels hat der in Frankfurt ansässige Börsenverein inzwischen mehr als 50 Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler und Politiker ausgezeichnet. (tso/dpa)

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