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Kultur: "Friedrichs Traum": Kraut und Karriere - noch ein Buch über die Staatsoper Unter den Linden

Am Anfang stehen drei Überraschungen. Die erste: Der Saal auf dem Titelbild sieht gar nicht aus wie die Staatsoper.

Am Anfang stehen drei Überraschungen. Die erste: Der Saal auf dem Titelbild sieht gar nicht aus wie die Staatsoper. Vier Ränge statt der gewohnten drei sind da zu sehen und ein ungewohnter Kronleuchter. Der Leser muss sich bis zur Seite 137 vorarbeiten, um zu erfahren, dass es sich um den Zustand des Saales zwischen 1843 und 1945 handelt.

Die zweite Überraschung: In dem Aufsatz, der das Buch eröffnet, kommt die Staatsoper eigentlich gar nicht vor. Im Stil der "Merian"-Reportagen geht es statt dessen um die Entwicklung der Prachtstraße Unter den Linden von der Entstehung bis zu Wilhelm II. Das liest sich angenehm, doch wie sich der Text in ein Buch über die Staatsoper einschleichen konnte, erschließt sich erst beim Blick auf die Autorenzeile: Rolf Hosfeld ist der einer der Herausgeber von "Friedrichs Traum".

Die dritte Überraschung begleitet den Leser durchs ganze Buch: Immer wieder stößt er auf ganzseitige Anzeigen. Spätestens jetzt wird ihm klar, warum der Wälzer für 29 Mark verkauft wird - und an welche Zielgruppe er sich richtet: Mit seinen vielen farbigen Abbildungen ist "Friedrichs Traum" das ideale Geschenk für kulturinteressierte Freunde, die ihren Wohnzimmertisch gerne mit prächtigen Bildbänden schmücken.

Wer sich intensiver mit dem Traditionstheater beschäftigen will, dürfte enttäuscht werden. Die drei Herausgeber - neben Hosfeld der Musikwissenschaftler Boris Kehrmann und der Buchgestalter Rainer Wörtmann - werfen in 13 Kapiteln allenfalls Schlaglichter auf die Geschichte. Allein Friedrich Dieckmann schlägt in seinem Text über die verschiedenen architektonischen Gesichter des Hauses den Bogen von 1792 bis heute. Kehrmanns Sicht auf die Pflege der Barockoper Unter den Linden zeugt zwar von enormer Sachkenntnis - doch das ganze 19. Jahrhundert und die erste Hälfte des 20. fehlen völlig, die Auswahl der "schönsten Operninszenierungen" ist äußerst subjektiv. Unverständlich bleibt, warum dem Jubelartikel über die Millenniumsfeier Unter den Linden genauso viel Platz eingeräumt wird wie dem Porträt Daniel Barenboims.

Der Aufsatz über den Chefdirigenten ist die größte Überraschung des Buches: Hat der Berliner Musikkritiker Klaus Geitel hier tatsächlich zwischen den Zeilen einen Totalverriss des weltbekannten Künstlers versteckt - oder sollte er sich bei seinen zweideutigen Formulierungen doch nichts weiter gedacht haben? Andererseits: Der Karriereweg des Maestro ließe sich durchaus auch anders zusammenfassen als mit den Worten "Gegen Barenboims Aufstieg ist sicher kein Kraut gewachsen."

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